Der Fluch

verächtlich und dennoch ist aus seiner Stimme ein Rest von Zweifel zu hören. »Dieses Geschwafel von Erkenntnis und Weisheit, die mysteriöse Formel und der Bericht über dieses Labyrinth, in dem er sich verirrte?«
    »Und das tatsächlich existiert«, sagt Robert bestimmt.
    »Ach ja? Woher weißt du das? Ist es dir im Traum begegnet?«
    »Nein. Wir waren dort. Katie, David und ich. Im Februar. Es liegt unter dem See.«
    Roberts Gesicht ist blass, der Blick angestrengt hinter der Brille, in dem sich die Flammen spiegeln. Fast scheint es, als sei er erleuchtet. Aber er glaubt an das, was er sagt. Und mein Vertrauen in ihn ist so groß, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft.
    »Sagt mal, habt ihr von Benjamins Pilzen gegessen?«, entgegnet Chris. »Euer Verstand ist dabei, sich aufzulösen. Ihr halluziniert.«
    »Es ist die Wahrheit, Chris«, sagt Katie. »Und jeder von uns weiß, dass dieser Ort eigenen Kräften unterliegt. Ganz wie Dave Yellad es beschrieben hat.«
    »Warum habt ihr uns das Labyrinth nicht gezeigt?«, fragt Julia.
    »Weil es verschwunden ist«, erklärt Katie. Sie stochert nervös mit einem Stock in der Glut umher, als könne sie ihre Hände nicht ruhig halten. »Oder vielmehr sind die Zugänge verschwunden. Wir sind seit Wochen auf der Suche danach und können keinen finden. Es ist wie verhext. Die Mauern, die sich das letzte Mal öffneten, bleiben geschlossen.«
    »Und warum erzählt ihr uns das erst jetzt?« Chris erhebt sich, greift nach einem Ast und wirft ihn ins Feuer. Funken fliegen durch die Luft. Einer bleibt auf meinem Ärmel liegen und brennt ein Loch hinein, bevor er endgültig verglüht.
    »Weil die Zeit dafür da ist. Weil wir nicht länger ein Risiko eingehen dürfen. Es sind die Geheimnisse, die Macht über uns haben. Was mit Rose passiert ist, darf nicht wieder geschehen.«
    Ich spüre, wie alle mich ansehen. Das Tal hat mich mit meiner Geschichte konfrontiert und alles an die Oberfläche geholt, was ich vor mir und allen anderen verborgen hielt.
    Aber der Schlüssel war, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Dass David Bescheid wusste. Dass ich nicht allein war. »Niemand kann hier oben alleine überleben«, sagt Robert in diesem Augenblick. »Wir müssen den Kampf mit dem Tal aufnehmen.«
    »Hörst du eigentlich, was du da sagst? Den Kampf mit dem Tal … es ist nur ein Ort.« Chris weigert sich, weiterhin zu glauben, was er hört.
    »Es ist nicht nur ein Ort«, widerspricht Tim. »Es ist das Dead Valley. Hier oben verändern sich die Menschen. Das Tal stellt sie, stellt uns alle auf die Probe. Es ist, wie die Legende erzählt. Das Tal sucht sich seine Opfer.«
    »Indianergeschwätz.«
    »Und dennoch sterben hier oben Menschen …« David, sonst die Ruhe selbst, spricht laut und aufgeregt: ». . . und wir haben nichts unternommen, um es zu verhindern.«
    »Ach ja und wie willst du es verhindern, Mr Freeman?«
    Davids Blick sucht meinen.
    »Es war David, der mich gerettet hat«, sage ich.
    Wieder herrscht Schweigen. Wie viele von uns haben hier oben schon die Grenze zum Tod erfahren? Diesmal war ich an der Reihe. Wird es einen Nächsten geben?
    »Wir müssen die Wahrheit herausfinden«, erklärt Tim schließlich.
    »Und wir dürfen nicht zulassen, dass uns dasselbe passiert wie den Studenten auf dem Berg. Wir müssen zusammenhalten, egal, was in Zukunft geschieht«, fügt Katie hinzu. Ausgerechnet Katie, die das Alleinsein der Gruppe vorzieht. Die sich als Einzelkämpfer durch das Leben schlägt. Es ist wahr. Das Tal verändert uns.
    »Für immer und ewig«, murmele ich. Die anderen starren mich erstaunt an. Aber ich erkläre es nicht.
    »Dave Yellad war auf der Suche nach der Formel«, erklärt Tim. »Wenn wir die finden, finden wir auch ihn.«
    »Wenn er uns nicht vorher findet«, entgegnet Robert. »Darum geht es doch hier oben, oder?«

Totentafel
    Angela Finder
Mark de Vinzenz
Paul Forster
Nanuk Cree
Ted Baker
John Bishop
Peter Forster
Grace Morgan
Milton Jones
Muriel Anderson