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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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bestanden, dass wir uns auch noch den nächsten Film anschauen. Weißt du noch? Nachdem sich John Mills erschossen hat und Guinness ein bisschen durchdreht und vor den anderen Männern in der Offiziersmesse einen langsamen Trauermarsch spielt? Der Dudelsack war sehr leise, und du hast im Kinosaal gesessen, und die Tränen sind dir nur so die Wangen herabgelaufen, also sag ja nicht, ich wäre die Rührselige von uns beiden. Und an der Highschool, weißt du noch, wie Tommy O’Connor gegen St. Brendan nicht durchkam und er dir den Ball abgegeben hat und du einfach losmarschiert bist und der ganze Platz gebrüllt oder den Atem angehalten hat, weil zehn Meter vor dem Korb die Meisterschaft auf dem Spiel stand? Ist doch nur ein Stück Netz, hast du gesagt, aber jedes Mal, wenn ich das Thema anschnitt, hast du zu weinen angefangen, du alter Blödmann. Ihr habt gewonnen, und du musstest heulen. Ich denke, Susan wäre es nicht anders ergangen. Sie hat über gestrandete Wale geweint und über Seehunde, die nicht den gesunden Instinkt hatten, vor den Jägern zu fliehen, oder wegen ölverschmierter Möwen.
    Das hätte dich auch berührt.«
    Detective Barren holte tief Luft.
    Ich bin verrückt, dachte sie.
    Mit einem toten Ehemann über eine tote Nichte zu reden.
    Aber man hat die, die ich liebe, umgebracht.
    Alle.
     
    Detective Barren zeigte ihre Dienstmarke einem Beamten in Uniform, der in der Dienststelle des Bezirkssheriffs am Wachtisch saß und sämtliche Besucher überprüfte. Sie nahm den Fahrstuhl zum zweiten Stock und fand das Morddezernat wieder. Eine Sekretärin ließ sie auf einem unbequemen Plastiksofa warten. Sie sah sich um und registrierte die allgegenwärtige Mischung aus altem und neuem Büromobiliar. Die Arbeit bei der Polizei bewirkt irgendwie, überlegte sie, dass selbst neue Dinge sehr schnell ihren Glanz verlieren. Sie fragte sich, ob zwischen dem Dreck, mit dem man sich befasste, und der schmuddeligen Atmosphäre der Büros irgendein Zusammenhang bestand. Ihr Blick wanderte über die drei Bilder an der Wand: der Präsident, der Sheriff und ein dritter Mann, den sie nicht kannte. Sie stand auf und trat an das Bild des Unbekannten heran. Unter dem Porträt eines lächelnden, ein wenig übergewichtigen Mannes mit der amerikanischen Flagge im Revers befand sich eine kleine, bronzemattierte Plakette. Darauf stand der Name des Abgebildeten und die Inschrift IM DIENST GETÖTET, darunter ein zwei Jahre zurückliegendes Datum.
    Sie erinnerte sich an den Vorfall; es war eine ganz normale Festnahme nach einem Fall von häuslichen Streitigkeiten gewesen, der in Totschlag geendet hatte. Ein betrunkener Vater und sein Sohn in Little Havana. Ein Mord wie aus dem Lehrbuch: Als die Polizei eintraf, stand der Vater schluchzend über der Leiche. Er war so verstört, dass die Uniformierten ihn einfach ohne Handschellen in einen Sessel setzten. Niemand hatte damit gerechnet, dass er explodieren würde, sobald sie versuchten, ihn mitzunehmen – dass er einem Polizistendie Pistole aus dem Halfter ziehen und auf sie richten würde. Detective Barren erinnerte sich nur zu gut an die Beerdigung mit den Ausgehuniformen, der gefalteten Flagge und dem Ehrensalut, die sie zu einer anderen Trauerfeier zurückversetzte. Wie albern, so zu sterben, dachte sie. Doch im nächsten Moment fragte sie sich, wie ein nützlicher Tod wohl aussah. Als Detective Perry den Raum betrat, drehte sie sich hastig um.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen«, begrüßte er sie. »Gehen wir in mein Büro.«
    Sie folgte ihm den Flur entlang.
    »Bürokabine, genauer gesagt. Großraumaufteilung. Richtige Büros mit einer ordentlichen Tür sind nicht mehr zu haben. Das nennt sich nun Fortschritt.«
    Sie lächelte, und er bot ihr einen Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch an.
    »Also?«, meinte er.
    »Das frage ich Sie«, erwiderte sie.
    »In Ordnung«, sagte er. »Wir haben da etwas.« Er schob ihr ein Blatt Papier hin. Sie nahm es und starrte auf ein Phantombild eines Mannes mit lockigen Haaren und dunkler Haut, der gar nicht schlecht ausgesehen hätte, wenn ihm nicht die tiefliegenden Augen etwas Gespenstisches verliehen hätten. Allerdings nicht genug, um abstoßend zu wirken.
    »Ist das …«
    »Wir haben unser Bestes getan«, unterbrach er sie. »Wir haben es quer durch die Stadt und auf jedem Campus verteilt. Während Sie zur Beerdigung waren, haben wir es auf sämtlichen Fernsehsendern ausgestrahlt.«
    »Und die Reaktionen?«
    »Das

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