Der Frauenkrieg
umwendend, ihm zuflüsterte: »Still! Hört Ihr nichts?«
Cauvignac aber fuhr mit sich selbst sprechend fort: Noch weiß ich nicht, was diese Geschichte bedeuten soll.
Plötzlich blieb er stehen und fragte: »He da! wohin führt Ihr mich?«
»Seht Ihr es nicht?« entgegnete der Kerkermeister, »in den Keller.«
»Oh weh!« murmelte Cauvignac, »wollen Sie mich lebendig begraben?«
Der Kerkermeister zuckte die Achseln, drang in ein Gewirr von Gängen, gelangte zu einer niedrigen, bogenförmigen Tür, hinter der ein seltsames Geräusch laut wurde, und öffnete.
»Der Fluß!« rief Cauvignac erschrocken, als er das Wasser, düster und schwarz hinrollen sah.
»Ja, der Fluß; könnt Ihr schwimmen?«
»Ja ... nein... ja ...; das heißt, warum, zum Teufel, fragt Ihr mich?«
»Weil wir sonst ein Schiff abwarten müßten, das da unten liegt, und dadurch verlieren wir eine Viertelstunde, abgesehen davon, daß man das Signal, das ich machen muß, hören und uns wieder erwischen kann.«
»Uns wieder erwischen?« rief Cauvignac. »Ah! teurer Freund, wir fliehen also?« – »Allerdings fliehen wir.«
»Wohin?« – »Wohin wir wollen.«
»Ich bin also frei?« – »Frei wie die Luft.«
»Oh! mein Gott!« rief Cauvignac.
Und ohne ein Wort diesem beredten Ausrufe hinzuzufügen, ohne sich umzuschauen, ohne zu sehen, ob ihm sein Gefährte folgte, stürzte er sich in den Fluß und tauchte rascher unter als eine verfolgte Fischotter. Der Kerkermeister ahmte sein Beispiel nach, und nach einer Viertelstunde lautloser Anstrengungen, um den Strom zu durchschwimmen, befanden sich beide im Angesicht des Schiffes. Der Kerkermeister pfiff nun dreimal, während er beständig schwamm; die Schiffer erkannten das verabredete Signal, kamen ihnen entgegen, zogen sie rasch in die Barke, begannen, ohne ein Wort zu sprechen, kräftig zu rudern, und brachten beide in weniger als fünf Minuten an das entgegengesetzte Ufer.
»Ah!« rief Cauvignac, der seit dem Augenblick, wo er sich so mutig in das Wasser gestürzt, keine Silbe von sich gegeben hatte, »ah! nun bin ich gerettet. Teurer Kerkermeister meines Herzens, Gott wird Euch belohnen!«
»In Erwartung des Lohnes, den mir Gott gewähren mag,« erwiderte der Kerkermeister, »habe ich vorläufig vierzigtausend Livres erhalten, mit denen ich mich in Geduld fassen kann.
»Vierzigtausend Livres!« rief Cauvignac voll Erstaunen, »wer zum Teufel kann vierzigtausend Livres für mich ausgegeben haben?«
Neunzehntes kapitel
Es ist nun Zeit, zu Nanon von Lartigues zurückzukehren, die beim Anblick des unter der Halle des Marktplatzes von Libourne verscheidenden, unglücklichen Richon einen Schrei ausgestoßen hatte und in Ohnmacht gefallen war. Sie besaß jedoch trotz ihres zarten Körpers durchaus keine schwächliche Natur. Der Herzog von Epernon, der sie kannte oder vielmehr zu kennen glaubte, staunte daher nicht wenig, sie, die in Todesgefahr beim Brande des Schlosses kalt und ruhig geblieben war, jetzt so völlig niedergeschmettert zu sehen.
Ihre Ohnmacht dauerte beinahe zwei Stunden und endigte mit furchtbaren Nervenanfällen, während deren sie nicht sprechen, sondern nur unartikulierte Schreie ausstoßen konnte.
Erst spät in der Nacht kam sie wieder zum Bewußtsein und brauchte noch einige Zeit, um ihre Gedanken zu sammeln; dann aber preßte sie ihren Kopf zwischen beide Hände und rief mit herzzerreißendem Tone: »Ich bin verloren! Sie haben ihn mir getötet!«
Zum Glück waren diese Worte so seltsam, daß die Anwesenden sie auf Rechnung des Deliriums setzten; man erzählte jedoch dem Herzog, der am Morgen von einer Expedition zurückkehrte, davon, und dieser sagte zu ihr im ersten Augenblicke ihres Alleinseins: »Teure Freundin, es ist mir mitgeteilt worden, was Ihr alles infolge des Todes von Richon, den man so unklug unter Euern Fenstern gehängt hat, gelitten habt...«
»Ja, ja,« rief Nanon, »das ist schändlich! das ist abscheulich!«
»Seid unbesorgt, nun, da ich weiß, welche Wirkung es auf Euch hervorbringt, werde ich in Zukunft die Rebellen auf dem Promenadeplatz und nicht mehr auf dem Marktplatz hängen lassen. Aber von wem spracht Ihr denn, als Ihr sagtet, man habe ihn Euch getötet? Das kann doch nicht Richon sein, den Ihr ja gar nicht kanntet.«
»Ah! Ihr seid es, Herr Herzog?« sagte Nanon, indem sie sich auf ihren Ellenbogen erhob und den Herzog beim Arme faßte.
»Ja, ich bin es, und es freut mich, daß Ihr mich wiedererkennt, denn das beweist, daß
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