Der Frauenkrieg
ihn.«
Mehr verlangte der Bote nicht; er wandte sein Pferd um und jagte schnell wie ein Meteor in der Richtung von Libourne fort. Anderthalb Stunden nachher stürzte das Roß an dem Tore der Stadt nieder und wälzte seinen Reiter zu den Füßen des Herrn von Epernon, der, das Wort: »Ja,« erwartend, vor Ungeduld zitterte. Obgleich halb gerädert, hatte der Bote doch noch die Kraft, dieses kostspielige: »Ja« auszusprechen, und der Herzog eilte in die Wohnung Nanons, die immer noch auf dem Bette ausgestreckt, ihren starren Blick auf die von einer Schar von Dienern besetzte Tür heftete.
»Ja,« rief der Herzog von Epernon, »ja, er ist gerettet, teure Freundin, er folgt mir, und Ihr sollt ihn sehen.«
Nanon hüpfte fast vor Freude auf in ihrem Bette; diese Worte nahmen von ihrer Brust die Last, die sie erstickte; sie hob ihre Hände zum Himmel empor und rief, das Antlitz in Tränen gebadet, die dieses unerwartete Glück ihren Augen entriß, welche die Verzweiflung trocken gemacht hatte, mit einem unbeschreiblichen Ausdruck: »Oh! mein Gott, mein Gott, ich danke Dir!«
Gleich darauf öffnete sich die Reihe der Diener, ein Mann stürzte in das Zimmer und rief: »Meine Schwester! meine gute Schwester!«
Nanon richtete sich in ihrem Bett auf, öffnete erschrocken die Augen, wurde weißer, als das gestickte Kissen hinter ihrem Kopfe, fiel wie vom Blitze getroffen wieder zurück und schrie: »Cauviagnac! mein Gott, Cauvignac!«»Cauvignac!« wiederholte der Herzog und ließ einen Blick umherlaufen, der offenbar den suchte, an den dieser Ausruf gerichtet war. »Cauvignac,« sagte er, »wer heißt denn Cauvignac?«
Cauvignac hütete sich wohl, zu antworten; er war noch zu wenig gerettet, um sich eine Offenherzigkeit zu erlauben, die so wie so keine Eigenschaft seines Charakters war; er begriff, daß er seine Schwester verlor, wenn er antwortete, und unfehlbar sich selbst zu Grunde richtete, wenn er seine Schwester verlor; so überließ er es Nanon, zu sprechen, mit dem Vorsatze, ihre Worte nötigenfalls zu verbessern.
»Und Herr von Canolles!« rief diese, auf Cauvignac den doppelten Blitz ihrer Augen schleudernd, in einem Tone wütenden Vorwurfs.
Der Herzog faltete die Stirn und fing an, auf seinen Schnurrbart zu beißen. Die Anwesenden wußten nicht, was dieser unerwartete Zorn bedeuten sollte, und schauten sich erstaunt an.
»Arme Schwester,« flüsterte Cauvignac dem Herzog ins Ohr, »sie hat solche Angst ausgestanden, daß sie deliriert und mich nicht wiedererkennt.«
»Mir hast du zu antworten, Elender,« rief Nanon, »mir. Wo ist Herr von Canolles? Was ist aus ihm geworben? Antworte doch!«
Cauvignac faßte einen verzweifelten Entschluß; er näherte sich dem Herzog von Epernon und sagte mit Tränen in den Augen: »Oh! gnädiger Herr, das ist nicht mehr Delirium, das ist Wahnsinn; der Schmerz hat ihr, wie Ihr seht, den Geist so verwirrt, daß sie ihre nächsten Verwandten nicht mehr erkennt. Kann ihr jemand die verlorene Vernunft zurückgeben, so bin ich es; laßt also, ich bitte Euch, alle Diener abtreten, denn, Ihr werdet nicht gern andere auf Kosten dieser armen Schwester lachen sehen.«
Vielleicht hätte der mißtrauisch gewordene Herzog nicht nachgegeben, wäre er nicht soeben zu einem außerordentlichen Rate zur Königin berufen worden. Er wandte sich also an Nanon, der inzwischen Cauvignac durch ein leises Wort einen schwachen Schimmer von Hoffnung gegeben hatte, und sagte, ihr die Hand küssend: »Auf, teure Freundin, die Krise ist hoffentlich vorüber; sammelt Eure Sinne, ich lasse Euch mit diesem Bruder, den Ihr so sehr liebt, zurück, denn die Königin ruft mich. Das allein kann mich bewegen, Euch in einem solchen Augenblick zu verlassen.«
Nanon fühlte, daß ihr das Herz beinahe brach. Sie hatte nicht die Kraft, dem Herzog zu antworten, schaute nur Cauvignac an und drückte ihm die Hand, als wollte sie sagen: »Hast du mich nicht getäuscht, mein Bruder, darf ich wirklich hoffen?«
Als der Herzog gegangen war, empfahl ihr Cauvignac mit einem Zeichen der Hand Stillschweigen; dann hielt er sein Ohr an die Tür, um sich zu überzeugen, daß sich der Herzog wirklich entfernte.
»Oh! was ist nur daran gelegen!« rief Nanon, »er mag hören oder nicht hören; Ihr habt mir zwei Worte zugeflüstert, um mich zu beruhigen, sprecht, was denkt Ihr? Was hofft Ihr?«
»Meine Schwester,« erwiderte Cauvignac, eine ernste Miene annehmend, die bei ihm durchaus nicht Gewohnheit war, »ich will Euch nicht
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