Der Frauenkrieg
weiter gehen, wollen wir vor allem einen Irrtum berichtigen. Ihr gebt Euch den Anschein, als hieltet Ihr mich für eine Frau, während Ihr im Gegenteil an meinen Kleidern gut sehen könnt, daß ich ein Mann bin.«
»Ihr kennt das Sprichwort: Trau, schau, wem? Der Weise urteilt nicht nach dem Scheine. Ich maße mir nun an, ein Weiser zu sein, und so erkannte ich unter dieser lügenhaften Tracht ...«
»Was?« fragte der Reisende ungeduldig.
»Wie ich Euch sagte: eine Frau.«
»Aber wenn ich für Euch eine Frau bin, warum verhaftet Ihr mich dann?« – »Teufel! weil in diesen Zeitläuften die Frauen gefährlicher sind, als die Männer; man könnte darum sogar unsern Krieg den Frauenkrieg nennen.«
»Ihr seid ein Narr, mein Herr,« sagte der junge Reisende, die Achseln zuckend.
»Ich werde Euch ebensowenig glauben, schöne Dame, als ich vorhin dem jungen Mann glaubte, der mir dasselbe Kompliment machte.«
»Ihr behauptet vielleicht gegen sie, sie sei ein Mann?«
»Allerdings. Ich erkannte meinen kleinen Edelmann, den ich an einem gewissen Abend anfangs Mai um das Gasthaus des Meisters Biscarros hatte herumstreichen sehen, und ließ mich durch seinen Weiberrock, seinen Kopfputz und seine kleine Flötenstimme nicht täuschen; sowenig wie ich mich durch Euer blaues Wams, Euren grauen Filzhut und Eure Spitzenstiefel täuschen lasse. Ich sagte ihm: »Nehmt einen Namen an, den Ihr wollt, Ihr seid darum nichtsdestoweniger der Vicomte von Cambes.«
»Der Vicomte von Cambes!« rief der junge Reisende.
»Ah! der Name fällt Euch auf, wie es scheint. Solltet Ihr ihn zufällig auch kennen?«
»Er ist hier? Ihr sagt; er ...«
»Als Frau verkleidet, der schlimme Mensch, wie Ihr als Mann, Böse.«
»Und was macht er hier?« rief der junge Mann mit immer zunehmender Heftigkeit.
»Er behauptet, ein Stelldichein mit einem seiner Freunde zu haben,« antwortete Cauvignac, auf jedes seiner Worte einen besonderen Nachdruck legend. Den Namen weiß ich nicht mehr genau, doch darauf besinne ich mich, er endigt mit
olles
.«
»Herr von Canolles!« rief der junge Reisende, dessen Lippen sich mit einer Todesblässe bedeckten, wodurch seine schwarze Maske furchtbar von der Weiße seiner Haut abstach.
»So ist es, Herr von Canolles,« versetzte Cauvignac ganz richtig. Ihr kennt Herrn von Canolles ebenfalls! Ihr kennt, scheint es, die ganze Welt?«
»Scherz beiseite,« stammelte der junge Mann, der an allen Gliedern zitterte und einer Ohnmacht nahe zu sein schien. »Wo ist diese Dame?«
»In jenem Zimmer; seht, dort das dritte Fenster, jenes mit den gelben Vorhängen.«
»Ich will sie sehen!« rief der Reisende.
»Oho! sollte ich mich getäuscht haben,« sagte Cauvignac, »und Ihr wärt der Herr von Canolles, den sie erwartet? Oder vielmehr wäre Herr von Canolles nicht der hübsche Kavalier, der dort mit seinem Lakaien im Trabe einherreitet?«
Der junge Reisende warf sich mit solcher Eile gegen die vordere Glasscheibe des Wagens, daß er sie mit der Stirn zerbrach.
»Er ist es! er ist es!« rief er, ohne nur wahrzunehmen, daß einige Tropfen Blut aus seiner leichten Wunde flossen. »Oh, ich Unglückliche! Er kommt, findet sie wieder, ich bin verloren! ...«
»Ah, Ihr seht wohl, daß Ihr eine Frau seid?«
»Sie hatten sich verabredet,« fuhr der junge Mann, die Hände ringend fort; »oh! ich werde mich rächen.«
Cauvignac wollte einen neuen Scherz versuchen, aber der junge Mann machte ihm ein gebieterisches Zeichen mit der Hand, während er mit der andern seine Maske abriß, und nun erschien Nanons bleiches, furchtbar drohendes Antlitz vor den ruhigen Blicken Cauvignacs.
Fünfzehntes Kapitel
»Guten Morgen, Schwesterchen,« sagte Cauvignac zu Nanon, der jungen Frau mit unstörbarem Phlegma die Hand reichend.
»Ihr sagt also, die Vicomtesse von Cambes sei hier?« – »In Person.«
»Und Herr von Canolles trete in diesem Augenblick in das Wirtshaus?« – »Noch nicht. Er steigt vom Pferde und wirft seinem Lakaien die Zügel zu. Ah, er ist von jener Seite auch bemerkt worden. Seht, das Fenster mit den gelben Vorhängen öffnet sich, und der Kopf der Vicomtesse kommt hervor. Ah! sie stößt einen Freudenschrei aus, Herr von Canolles stürzt in das Haus; verbergt Euch, Schwesterchen, oder es ist alles verloren.«
Nanon warf sich zurück und drückte krampfhaft Cauvignacs Hand, der sie mit einer Miene väterlichen Mitleids anschaute.
»Und ich, die ich soeben nach Paris reisen wollte,« rief Nanon, »ich, die
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