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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Glück hatte sie bereits gewusst, dass ihre Tochter in Gefahr war, und offenbar war auch die Polizei längst auf Marius’ Fährte. Zu Unrecht zwar, aber das würde sich später klären lassen. Für den Augenblick war nur wichtig, dass niemand lange fragte oder an der Dringlichkeit des Hilferufs zweifelte. Jetzt sollten alle so schnell sie konnten funktionieren.
    Das Warten quälte. Inga hatte, kaum dass sie das Gespräch mit ihrer Mutter beendet hatte, aus dem Fenster geschaut und die Möglichkeiten einer Flucht auf diesem Weg abgeschätzt, aber es war ihr sofort klar geworden, dass sie diesen Gedanken nicht weiter verfolgen musste. Für einen Sprung befanden sie sich in viel zu großer Höhe, und es gab hier nichts, woran man sich hätte hinablassen können, keine
Regenrinne, kein Spalier, nichts. Kurz erwog sie, Bettlaken aneinander zu knoten und so ein Seil herzustellen, aber sie hatte wenig Vertrauen in die Haltbarkeit einer solchen Konstruktion. Außerdem hätte dies alles bedeutet, Marius zurückzulassen, und letztlich erschien ihr dies undenkbar.
    »Die Polizei wird kommen«, flüsterte sie ihm zu, »und dann sind wir in Sicherheit.«
    Er versuchte zu lächeln. »Klar. Das sind wir dann.«
    »Warum hast du mir nie etwas erzählt, Marius?« Noch während sie fragte, überlegte sie, ob es wohl wichtig war, dies jetzt zu klären. Ob es in dieser Situation überhaupt wichtig war, irgendetwas zu klären. Aber die Alternative war, zu schweigen und auf das Hämmern des eigenen Herzens zu lauschen. Das mochte schwerer sein.
    »Erzählt?«
    »Von deiner Kindheit. Von deinen Eltern. Dass du bei Pflegeeltern warst. Warum habe ich nichts erfahren?«
    Er antwortete nicht.
    Bin ich eigentlich sicher, dass er es nicht doch war, der die beiden alten Leute umgebracht hat? Er braucht Hilfe, so viel steht nach alldem fest. Aber ist er ein Gewaltverbrecher? Wie hängt das alles zusammen? Wann werde ich wissen, wer er ist?
    Sie glaubte schon, er sei eingeschlafen, da öffnete er die Augen. »Maximilian«, sagte er.
    Sie nickte. »Er ist krank. Ich kann nur beten, dass die Polizei hier ist, ehe er völlig durchdreht.«
    »Er wollte meinen Albtraum beenden.«
    »Maximilian? Was wollte er?«
    Das Sprechen fiel Marius schwer. Es klang ungeduldig, als er antwortete: »Er wusste … davon. Er hat mich verstanden. Die … ganze Qual … hat er verstanden …«
    »Du meinst die Qual deiner Kindheit?«

    »Sie … hörte nicht auf. Nie.«
    »Ich verstehe. Und Maximilian wollte dir helfen?«
    Ein schwaches Nicken. »Ja.«
    »Es war geplant, dass wir hier landen, nicht? Bei Rebecca. «
    »Er … meinte, ich soll mit ihr reden. Ihr erzählen, wie ich im Stich gelassen wurde. Er sagte, nur so könnte ich damit fertig werden. Indem … ich mich an die Leute wende, die … die damals verantwortlich waren.« Er hustete. Das Sprechen fiel ihm sehr schwer. »Ich … mir leuchtete das ein. Ich dachte, es könnte wirklich die Rettung werden. Zwar … war mir mehr an der Frau vom Jugendamt gelegen. Aber Maximilian sagte, die … die eigentlich Schuldige sei Rebecca. Die Frau vom Jugendamt habe Angst um ihren Job gehabt. Aber für … für Rebecca gebe es keine Entschuldigung.«
    Inga, die bislang nur Teile der Geschichte kannte, konnte nur mutmaßen, was Marius meinte. »Du hattest sie um Hilfe gebeten? Als Kind? Aber sie kennt deinen Namen überhaupt nicht.«
    Wieder nickte er mühsam. »Sie … wusste von nichts. Maximilian hatte … hatte behauptet, sie hätte es gewusst. Sie hätte es … ihm gesagt. Aber in Wahrheit … ich … hatte mit einer Mitarbeiterin geredet. Die Sache ist … nie an Rebecca weitergeleitet worden.«
    Das Puzzle vervollständigte sich. »Es war kein Zufall«, sagte Inga, »dass uns Maximilian in jenem Dorf auflas?«
    »Nein. Ich … hatte ihn angerufen und ihm gesagt, wo wir sind. Das war verabredet. Er sollte uns auf dem letzten Stück mitnehmen und auf dem Grundstück neben Rebecca absetzen. Von ihm hatte ich übrigens auch die Campingausrüstung. «
    »Aha. Aber das Auto, von dem du am Anfang sprachst … das uns ein Freund leihen wollte …?«

    Er lächelte schwach. »Sorry. Das … hatte ich erfunden. Um … dich für den Plan … zu gewinnen …«
    »Und dann wolltest du das Gespräch mit Rebecca suchen. Aber weshalb hast du dann versucht, mit dem Schiff abzuhauen? «
    »Ich bekam Angst.«
    »Angst? Wovor?«
    »Vor … mir. Vor allem. Davor, die Sache wieder aufzurollen. Ich wollte nur noch weg. Ich … fühlte mich

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