Der Fremde (German Edition)
das Zimmer, sechshundert Francs das Essen, ab und zu ein Paar Strümpfe, das machte tausend Francs. Und die gnädige Frau arbeitete nicht. Aber sie sagte mir, es wäre knapp, sie käme mit dem, was ich ihr gäbe, nicht aus. Dabei sagte ich ihr: ‹Warum arbeitest du nicht halbtags? Du würdest mich bei all diesen Kleinigkeiten sehr entlasten. Ich habe dir diesen Monat eine Garnitur gekauft, ich bezahle dir zwanzig Francs am Tag, ich bezahle deine Miete, und du, du trinkst nachmittags mit deinen Freundinnen Kaffee. Du schenkst ihnen den Kaffee und den Zucker. Ich schenke dir das Geld. Ich war anständig zu dir, und du dankst es mir so schlecht.› Aber sie arbeitete nicht, sie sagte immer, sie würde es nicht schaffen, und auf die Weise habe ich gemerkt, dass Betrug im Spiel war.»
Er hat mir dann erzählt, er hätte ein Lotterielos in ihrer Tasche gefunden, und sie hätte ihm nicht erklären können, wovon sie es gekauft hatte. Etwas später hätte er bei ihr «einen Beleg» des Leihhauses gefunden, der bewies, dass sie zwei Armbänder versetzt hatte. Bis dahin hätte er nichts von der Existenz dieser Armbänder gewusst. «Ich habe genau gemerkt, dass Betrug im Spiel war. Da habe ich sie verlassen. Aber erst mal habe ich sie versohlt. Und dann habe ich ihr die Meinung gesagt. Ich habe ihr gesagt, alles, was sie wollte, wäre Spaß mit ihrem Ding haben. Verstehen Sie, Monsieur Meursault, was ich ihr gesagt habe, war: ‹Du siehst nicht, dass dich alle um das Glück beneiden, das ich dir schenke. Später wirst du das Glück erkennen, das du hattest.›»
Er hatte sie bis aufs Blut geschlagen. Vorher schlug er sie nicht. «Ich versohlte sie, aber liebevoll sozusagen. Sie schrie ein bisschen. Ich schloss die Fensterläden, und es endete wie immer. Aber jetzt ist es ernst. Und für mein Gefühl habe ich sie nicht genug bestraft.»
Er hat mir dann erklärt, dass er deswegen einen Rat brauchte. Er hat sich unterbrochen, um den Docht der Lampe zu regulieren, der rußte. Ich hörte ihm immer noch zu. Ich hatte fast einen Liter Wein getrunken, und mir war sehr heiß an den Schläfen. Ich rauchte Raymonds Zigaretten, weil ich keine mehr hatte. Die letzten Straßenbahnen fuhren vorbei und trugen die jetzt fernen Geräusche der Vorstadt mit sich. Raymond hat weitergeredet. Was ihn ärgerte, war, «dass er noch etwas für ihren Beischlaf übrighatte». Aber er wollte sie bestrafen. Er hatte zuerst daran gedacht, sie in ein Hotel mitzunehmen und die «Sitte» zu rufen, um einen Skandal zu verursachen und ihr eine Registrierung einzuhandeln. Danach hatte er sich an Freunde gewandt, die er im Milieu hatte. Ihnen war nichts eingefallen. Und wie Raymond mir klarmachte, lohnte es sich doch wirklich, zum Milieu zu gehören. Er hatte es ihnen gesagt, und darauf hatten sie vorgeschlagen, sie zu «zeichnen». Aber das wollte er nicht. Er würde nachdenken. Vorher wollte er mich etwas fragen. Außerdem wollte er, bevor er es mich fragte, wissen, was ich zu dieser Geschichte meinte. Ich habe geantwortet, dass ich nichts dazu meinte, dass es aber interessant wäre. Er hat mich gefragt, ob ich dächte, dass Betrug im Spiel wäre, und mir schien es allerdings so, dass Betrug im Spiel war, ob ich fände, dass man sie bestrafen müsste, und was ich an seiner Stelle täte, ich habe gesagt, man könnte nie wissen, aber ich verstände, dass er sie bestrafen wollte. Ich habe noch etwas Wein getrunken. Er hat sich eine Zigarette angesteckt und hat mir seine Idee verraten. Er wollte ihr einen Brief schreiben «mit Gemeinheiten und gleichzeitig mit Sachen, dass sie es bereute». Danach, wenn sie zurückkäme, würde er mit ihr schlafen, «und genau in dem Moment, wenn sie so weit wäre», würde er ihr ins Gesicht spucken und sie hinauswerfen. Ich fand, dass sie auf diese Weise tatsächlich bestraft wäre. Aber Raymond hat mir gesagt, dass er sich nicht imstande fühlte, den nötigen Brief hinzukriegen, und dass er an mich gedacht hätte, ihn zu schreiben. Da ich nichts sagte, hat er mich gefragt, ob es mir lästig wäre, es gleich zu tun, und ich habe mit Nein geantwortet.
Er ist dann aufgestanden, nachdem er ein Glas Wein getrunken hat. Er hat die Teller und das bisschen kalte Blutwurst, das wir übrig gelassen hatten, weggeschoben. Er hat das Wachstuch auf dem Tisch sorgfältig abgewischt. Er hat aus einer Schublade seines Nachttischchens ein Blatt kariertes Papier, einen gelben Umschlag, einen kleinen Federhalter aus rotem Holz und ein
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