Der Fremde ohne Gesicht
Antwort.
Als sie sich umdrehte, um hineinzugehen, stellte er ihr eine letzte Frage. »Kennen Sie einen Arzt namens Andy Herman?«
Sie nickte. »Sehr gut sogar. Er war Psychiater am Park Hospital. Jetzt hat er eine eigene Praxis. Läuft sehr gut, wie ich höre.«
»Er war Sophie Clarkes Therapeut.«
Sie sah ihn überrascht an. »Sie hat eine Therapie gemacht? Warum denn?«
Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln. »Ich hatte gehofft, das könnten Sie vielleicht herausfinden.«
Sie überlegte einen Moment. »Ziemlich viel verlangt.«
Er zuckte die Schultern. »Würde er mit Ihnen reden? Mir wird er jedenfalls nichts erzählen.«
Sam wusste nicht so recht, aber sie konnte kaum nein sagen, so tief, wie sie schon in der Sache steckte. »Ich schaue mal, was sich machen lässt. Aber versprechen kann ich nichts.«
»Klar. Aber eines könnten Sie noch tun.«
Sie sah ihn neugierig an. »Was denn noch alles, Stanley?«
Er öffnete sein Handschuhfach und holte einen Beweismittelbeutel heraus, den er Sam reichte. Sie hielt ihn gegen das Licht und betrachtete ihn. Es war eine Uhr, die ziemlich teuer aussah. »Darf ich sie herausnehmen?« Sharman nickte und Sam öffnete den Beutel und ließ die Uhr in ihre Hand fallen. Es war eine moderne goldene Rolex. Sie drehte sie in der Hand. Es war nichts Ungewöhnliches daran, außer dass die Rückseite der Uhr abgefeilt war, um die Gravierung zu beseitigen, die sich dort einmal befunden hatte. Sie blickte auf. »Da ich noch nicht zur Pensionierung anstehe, haben Sie sicher einen bestimmten Grund dafür, mir diese Uhr zu geben?«
»Ich habe sie unter der Leiche des Mädchens gefunden.«
»Woher wissen Sie, dass es ihre war?«
»Ich weiß es nicht, aber die Vermutung liegt nahe. Es ist eine Damenuhr und wegwerfen wird wohl kaum jemand eine solche Uhr.«
»Vielleicht ist sie gestohlen worden?«
»Darauf würde ich wetten. Und ich schätze, dass unser Opfer die Diebin war.«
Sam verstand immer noch nicht, warum Sharman ihr die Uhr zeigte. »Und was soll ich jetzt damit machen?«
»Geben Sie sie Marcia. Vielleicht weiß sie ja einen Weg, um herauszufinden, was da einmal auf der Rückseite eingraviert war. Das könnte unsere beste Spur bisher werden. Zumindest könnte uns das verraten, wer sie war. Dann hätten wir vielleicht auch eine Verbindung zu ihrem Mörder.«
»Und eine Chance, Adams in Verlegenheit zu bringen.«
Sharman lächelte. »Mein stärkstes Motiv. Könnten Sie das tun?«
»Ich kann sie Marcia geben. Ob sie etwas damit anfangen kann, ist eine andere Frage.«
»Wir tun alle nur, was wir können. Mehr kann niemand verlangen.«
»Philosophie am frühen Nachmittag. Das ist mehr, als ich verkraften kann. Ich verschwinde, bevor Sie anfangen, Gedichte zu rezitieren.«
Er lachte. »Keine Chance. Es sei denn, Sie mögen Limericks?«
»Nicht die Sorte, die Sie vermutlich kennen, Stan.«
Als Sam kehrtmachte, registrierte sie seinen bewundernden Blick und war überrascht, dass sie sich geschmeichelt fühlte. »Bis später, Stan. Rufen Sie mich an?«
»Mache ich. Sagen Sie mir Bescheid, falls Marcia auf irgendetwas gestoßen ist.«
Sam nickte. Als sie sich auf den Weg zu ihrer Haustür machte, seufzte er. Sie war wirklich sehr attraktiv. Aber für ihn war sie ebenso unerreichbar wie ihr Haus und ihr Lebensstil.
Sam duschte und zog sich rasch um. Dann rief sie Marcia an, bevor sie sich auf den Weg nach Scrivingdon machte, um sich mit ihr abzusprechen, falls irgendjemand unbequeme Fragen stellen sollte. Zum Glück war zur Zeit so viel los, dass ihr eine Million plausible Gründe einfielen, das Labor aufzusuchen und mit Marcia zu sprechen, sodass keine Gefahr bestand.
Sie brauchte etwas über eine Stunde, um das Labor zu erreichen. Das war länger als gewöhnlich. Auf der Autobahn hatte es einen kleinen Unfall gegeben und das ganze Land schien zum Stillstand gekommen zu sein. Sam wusste nicht, wie viele Stunden sie schon in Verkehrsstaus verbracht hatte, aber es mussten eine Menge sein. Allmählich hatte sie eine regelrechte Aversion gegen Fahrer entwickelt, die die Unverfrorenheit besaßen, einen Unfall zu bauen und sie aufzuhalten. Besonders dann, wenn es sich um dumme, vermeidbare Unfälle handelte. Sie ertappte sich dabei, wie sie den beiden beteiligten Fahrern im Vorbeifahren finstere Blicke zuwarf.
Als sie das Labor erreichte, stellte sie ihren Wagen auf dem gewohnten Platz ab und ging in das Gebäude. Sie hatte Glück, niemand zeigte auch nur einen Hauch
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