Der fremde Pharao
Halbdunkel des Innenhofes trat. Der Hohe Priester und ein Tempeldiener kamen zur Begrüßung durch die frühen Sonnenstrahlen geschritten. Seqenenre setzte sich. Der Tempeldiener zog ihm die Sandalen aus und wusch ihm die Füße, dann näherten sich Fürst und Priester der Tür zum dahinter liegenden Heiligtum. Hinter ihnen waren Geschlurfe und Geflüster und das gelegentliche Plingpling des Sistrums zu hören, während sich die Sänger bereitmachten und den Gott zu einem neuen Tag begrüßen wollten. Seqenenre fiel vor der Tür auf die Knie, machte seinen Fußfall, stand wieder auf und erbrach das Tonsiegel. Der Hohe Priester entfernte die Schnur und zog die Tür auf. Unverzüglich setzten die Sänger mit dem Gesang ein, und das Sistrum in ihren Händen stellte den Takt zu den Lobpreisungen.
Seqenenre und der Priester betraten das Heiligtum. Hier war es dunkel und stickig. Die Lampen, die man neben dem großen goldenen Standbild Amuns hatte brennen lassen, waren beinahe erloschen. Der Priester füllte sie mit abgewandtem Blick und tat Weihrauch in die hohen Kupfergefäße zu beiden Seiten des Götterbildes, dann machte er sich daran, die verwelkten Blumen und das abgestandene Essen vom Vorabend zu entfernen. Draußen vor der Tür stellten Priester frisches Essen, Wein und Blumen zusammen mit frischem Leinen ehrerbietig auf dem Fußboden ab. Der Gesang hörte auf. Die Musik der Fingerzimbeln und Trommeln begann, und Seqenenre konnte die Füße der Tänzerinnen gleiten und rascheln hören, als sie sich an Stelle der Sänger zu Amuns Kurzweil wiegten und beugten, während er die rituellen Morgenwaschungen an ihm vornahm.
Seqenenre machte sich an seine Arbeit, nahm dem Hohen Priester das hauchdünne, gestärkte Leinentuch, das Essen, das duftende Wasser zum Waschen ab und fuhr mit seinen eigenen Händen sacht über die mächtigen goldenen Gliedmaßen des Gottes, und seine Stimme trug weiter als das kleine Heiligtum, während er das Morgengebet sprach. Das hier war sein Gott, der Schutzgott seiner Familie, seiner Stadt, der Gott, der seine Familie einst zur höchsten Macht in Ägypten erhoben hatte. Er verdiente die allergrößte Ehrerbietung.
Als Amun gewaschen und in frisches Leinen gekleidet war, als er ihm Essen und Wein angeboten hatte, zogen sich die Tänzerinnen zurück. Die Tür wurde geschlossen. Seqenenre stand da und betrachtete das gütig lächelnde Antlitz und die aufragenden goldenen Federn, während der Hohe Priester mit dem Tagesgebet einsetzte. »O Macht, die die Wasser des Chaos beschleunigte, hauche deinem Sohn Seqenenre Lebensodem ein. O Macht, deren Augen der Erde Licht gebracht haben, lass deinen Sohn Seqenenre begreifen. O Göttliche Gans, aus deren mächtigem Ei alle Dinge geschaffen wurden, lass in deiner Stadt Waset alles reichlich sprießen …«
Seqenenre lauschte mit beklommenem Herzen. Was soll ich Apophis diktieren, Amun, mein Gebieter, dachte er betrübt. Zu welchem verborgenen Ziel werden wir getrieben? Ist es dir gleichgültig geworden, dass deine Göttlichkeit verhüllt ist, dass sie nicht mehr siegreich über ganz Ägypten strahlt?
Der Hohe Priester hatte die vorgeschriebenen Gebete beendet und machte eine Pause. Seqenenre schloss die Augen und sog den lieblichen, würzigen Rauch ein, der dick in der reglosen Luft hing. Jetzt folgten die Ermahnungen, der Priester erinnerte den Gott an seine Pflichten gegenüber seiner Stadt und Nomarche, an nicht eingehaltene, vielleicht vergessene Versprechen, und oft waren die Worte an den Fürsten selbst gerichtet und lediglich in Warnungen an den Gott gefasst. An diesem Morgen sprach Amunmose von Fruchtbarkeit für den Boden, Schutz vor Krankheiten und vom Bedarf an mehr Opfergaben zur Erhaltung des Tempels und seiner Dienerschaft. Seqenenre lächelte. Er würde seinen Freund daran erinnern müssen, dass Not kein Gebot kannte.
Dann sang der Hohe Priester: »Mache dir, Mächtiger Amun, unsere Sache gegen die falschen Götter der Setius in Ägypten zu eigen. Mache Sutechs Hunde mundtot, schlage Anaths Tänzerinnen mit Blindheit und die Sänger Baals mit Stummheit …«
Seqenenre fuhr zusammen. Sein Herz begann zu hämmern. Er konnte nicht anders, er fiel auf die Knie, legte die Wange an Amuns glänzende Schienbeine und fing an zu lachen. Der Hohe Priester schwieg. Seqenenre erhob sich, immer noch lachend, und bedeutete dem Mann fortzufahren. Natürlich!, dachte er, während er versuchte, seine Heiterkeit in den Griff zu bekommen. Vielen Dank,
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