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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Niemand hat es geschafft, ihn so zum Lächeln zu bringen wie du!«
    »Ich bin nicht mehr die kleine Tani!«, fuhr sie ihn gereizt an. »Ich bin bald sechzehn. Ist einundzwanzig etwa alt, Kamose? Das war etwas ganz anderes, weil Vater nur verwundet war und sich erholt hat. Ich weiß nicht, was ich Mutter sagen soll.« Ihre Stimme geriet ins Stocken. Er saß auf der Kante ihrer Pritsche und nahm ihre beiden Hände in seine.
    »Keine Tränen«, ermahnte er sie streng. »Sei um meinetwillen stark, bitte, Tani. Ich brauche heute deine Hilfe. Und kümmere dich bitte auch um Aahmes-nofretari. Sie hat gestern am meisten verloren.« Bei diesen Worten riss sich Tani zusammen.
    »Das stimmt«, sagte sie mit einem Hauch von Trotz. »Aber du wirst Aahmes-nofretari heiraten, weil du jetzt Fürst bist, und sie ist die ältere Schwester. Sie hat dich zum Behüten und Trösten.« Kamose hörte ihre Worte mit einiger Überraschung. An diese Pflicht hatte er nicht gedacht.
    »Ich werde mein Bestes tun, euch alle zu beschützen und zu trösten«, erwiderte er. »Komm, Tani. Steh auf. Weder Vater noch Si-Amun würden es uns verzeihen, wenn wir uns in unserem Kummer gehen ließen.« Er ging hinaus, um einen Diener zu suchen, der Heket holen sollte, und hörte, wie Tani aufstand.
    Als er gebadet und angekleidet war, ging er ins Arbeitszimmer. Er war nicht hungrig, obwohl der Duft von frisch gebackenem Brot durchs Haus zog. Bei dem Gedanken an Essen krampfte sich sein Magen zusammen und ihm wurde übel. Er wollte nur noch aus dem Haus, wollte sich einen Streitwagen nehmen und hinaus in die Wüste fahren, in die heilsame Stille, wie immer, wenn er allein sein musste, doch ein so selbstsüchtiges Vergnügen hatte zu warten.
    Als er das Arbeitszimmer betrat, stand Ipi auf und verbeugte sich. Hinter dem gebückten Mann mit den ausgestreckten Händen fiel der Schein der Frühsonne zwischen den Pfeilern hindurch und stahl sich über den gefliesten Boden, und im Garten waren die Stimmen der Dienerschaft zu hören. Kamose zögerte auf der Schwelle, ihn verließ der Mut, als er seines Vaters schlichten Stuhl aus Zedernholz erblickte, der hinter den Tisch geschoben war, und einen Stapel Rollen, die Si-Amun noch vor kurzem auf dem Deckel der Truhe zurückgelassen hatte. Doch dann durchquerte er das Zimmer zum Schreibtisch, drehte sich um und lehnte sich an. Ipi hatte es sich auf dem Fußboden bequem gemacht, hatte die Palette auf die Knie gelegt und hob erwartungsvoll das Gesicht.
    Wie soll ich anfangen?, dachte Kamose bedrückt. Was soll ich sagen? Er seufzte. »Lass es uns versuchen«, sagte er. Der Schreiber senkte den Kopf, und Kamose hörte ihn das Gebet zu Thot murmeln, während er zum Pinsel griff. »›An Ramose, meinen Bruder. Sei gegrüßt. Du kennst die Missgeschicke, die uns hier in Waset befallen haben, und falls du diesen Brief mit Schweigen beantwortest, so verstehe ich das, aber ehe du dich von uns abwendest, bitte ich dich, gedenke der Jahre, in denen sich deine und meine Familie sehr nahe gestanden haben. Ich bitte dich auch, des Bandes zu gedenken, das dich und meine Schwester Tani verbindet. Wenn du sie wahrhaft liebst, verlasse sie jetzt nicht. Ganz gleich, ob du sie noch zur Gemahlin haben willst oder nicht, komme und besuche sie. Sie hat ihren Vater und kürzlich auch ihren Bruder verloren.‹«
    Er hielt inne. Sollte er Ramose alles erzählen? Nein. Zweifellos würde Teti die Rolle lesen. Die Kunde von Si-Amuns Tod musste sich unabwendbar nach Norden verbreiten, und warum sollte er der Ratte dort die Genugtuung geben, von ihm davon zu hören und sich wegen ihres Unglücks die Lippen zu lecken. »›Sie braucht dich jetzt‹«, fuhr er fort. »›Du kannst für solch einen Besuch nach Belieben Bedingungen stellen. Ich werde dir nichts verweigern. Aber komme.‹« Er überlegte, dann nickte er. »Das ist alles. Setz das Datum drauf, und ich unterschreibe selbst, wenn du eine schöne Abschrift angefertigt hast.«
    »Wer soll den Brief überbringen, Fürst?«, erkundigte sich Ipi.
    »Gib ihn Uni. Ich werde ihm Anweisungen geben. Wir können ein, zwei Wochen ohne ihn auskommen.« Damit entließ er den Schreiber und wäre gern in den Garten gegangen, aber er widerstand der Versuchung. Heute herrschte in Waset Trauer, und er musste mittrauern, sie teilen, wie gern er auch allein gewesen wäre, um sich seinem Kummer hinzugeben. Widerstrebend schlug er den Flur zu den Frauengemächern ein.
    Die Wochen der Trauer schienen langsam zu

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