Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
verrinnen, ein gestaltloser Tag ging in den anderen über, sodass Kamose allmählich das Gefühl hatte, sie hätten schon immer getrauert, dass Seqenenre und Si-Amun vor Hentis gestorben wären und die Zeit bei ihrem Dahinscheiden aufgehört hätte weiterzulaufen. Jeden Morgen besuchte er Amuns bescheidenen Tempel und huldigte dem Gott, betete und hörte zu, wie Amunmose die Ermahnungen anstimmte. Er kümmerte sich um Verwaltungsangelegenheiten, die man vor ihn brachte. Er versammelte sich mit den anderen Familienmitgliedern vor dem Anubis-Schrein und betete zum Gott der Mumifizierung und Bestattung für die ordnungsgemäße Einbalsamierung Seqenenres und ein günstiges Gewogenwerden und schloss insgeheim Si-Amun in seine Gebete ein, wie es seines Wissens auch die anderen taten. Tag um Tag sprachen sie unter Tränen von ihren Toten, und allmählich versiegten die Tränen, und das Andenken drückte nicht mehr so schwer. Die Überschwemmung setzte spät ein. Der glühend heiße Sommer wollte nicht aufhören, und in ihrem Gram glaubte Seqenenres Familie schon nicht mehr daran, dass der Nil jemals wieder ansteigen und das Land fruchtbar machen würde. Es war, als wäre Ägypten mit seinem treusten Sohn gestorben.
    Doch Re ging auf und unter, auch wenn sich die Familie auf sich selbst zurückgezogen hatte, und eines schönen Tages traf ein Herold aus dem Delta ein. Er geruhte nicht, den Fuß auf die Bootstreppe zu setzen, sondern warf Uni seine Rolle zu. Der war aus Chemmenu zurückgekehrt und auf dem Weg nach Waset. Der Herold grüßte hochnäsig und kehrte an Bord seiner Barke zurück. Uni suchte im Laufschritt nach Kamose, der zusammen mit Ahmose und Hor-Aha die Pferdeställe besichtigte. Einige Stuten sollten demnächst fohlen, und Kamose machte sich ihretwegen Sorgen. Die drei Männer hatten den Exerzierplatz überquert und waren durch die Gartenpforte getreten, als Uni angestürzt kam und sich verbeugte. »Eine Botschaft aus dem Norden«, sagte er und streckte sie Kamose hin. Die Männer warfen sich einen Blick zu, und Kamose gelang es zunächst nicht, den dargebotenen Papyrus zu nehmen. Auf der Stelle war der Trauerbann gebrochen. Man war in die Tauer-Oase eingedrungen, und die Welt strömte durch diese Bresche.
    »Sei bedankt, Uni«, sagte er endlich gequält und nahm die Rolle. »Du kannst gehen.« Der Haushofmeister verbeugte sich und verließ sie.
    »Dieses Jahr haben wir noch keinen Steuerbescheid bekommen«, sagte Ahmose mit belegter Stimme, und sein schlichtes Gesicht sah ernst aus. »Das hatte ich ganz vergessen. Glaubst du …« Kamose blickte seinen Bruder nachdenklich an. In Ahmoses braunem Haar hing der Dreck, und als er den Mund aufmachte, konnte Kamose seine weißen, etwas vorstehenden Zähne sehen.
    »Ich habe es nicht vergessen«, antwortete Kamose. »Ich habe nur nicht mehr daran gedacht. Es schien mir überhaupt nicht wichtig.«
    »Bin ich entlassen, Fürst?«, fragte Hor-Aha, doch Kamose hielt ihn zurück.
    »Nein«, sagte er. »Bleib, General. Wir haben keine Geheimnisse vor dir.« Er berührte die gewölbte rote Narbe auf seiner Wange, wo seine Wunde geheilt war. »Hoffentlich ist es unser Steuerbescheid, was ich jedoch bezweifeln möchte.« Rasch erbrach er das Siegel, entrollte den Papyrus und überflog ihn sorgsam. »Nein«, sagte er schließlich, blickte auf und kniff wegen der Sonne die Augen zusammen. »Kein Steuerbescheid. Apophis will nach Waset kommen. Und er bringt den Horusthron mit, damit er über diese Familie zu Gericht sitzen kann. Er sagt hier: ›Aus Achtung vor dem Kummer der edlen Tetischeri verschieben wir unsere Reise, bis ihr Sohn bestattet ist, doch wir erwarten, kurz danach mit aller Pracht und Gehorsamkeit empfangen zu werden. Falls Isis zu weinen begonnen hat, reisen wir zu Land durch die Wüste.‹« Ahmose verzog das Gesicht.
    »Dann können wir nicht einmal durch die Überschwemmung mehr Zeit herausschinden«, hauchte er. »Wenigstens muss Vater den Tag unserer Erniedrigung nicht mehr erleben!« Hor-Aha hatte Kamose eingehend beobachtet, und Kamose spürte, wie seine schwarzen, stetigen Augen abschätzend auf ihm ruhten.
    »Welche Begrüßung hast du deinem König zugedacht, o Fürst?«, fragte er leise. Doch Kamose schüttelte den Kopf.
    »Nichts wäre mir lieber, als unserem Gott einen Empfang nach Art von Waset zu bereiten«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen, »aber könnten wir das? Unser Heer ist auseinander gestoben, die Rekruten sind wieder auf ihren

Weitere Kostenlose Bücher