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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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friedlichen Stunden kommen, wenn sie es gemeinsam schafften, von Si-Amun wieder ohne Kummer zu sprechen, und die Schande ausgetrieben hatten, die er über das Haus gebracht hatte.
    Er wollte gerade den Raum verlassen, in dem er sich seit einer Ewigkeit gefangen vorkam, da fiel ihm Tani ein. Er drehte sich um und streckte ihr die Hand hin. Sie stand auf und ergriff sie dankbar. »Danke, dass du mich nicht vergessen hast«, sagte sie. Er rang sich ein Lächeln ab.
    »Komm«, befahl er und führte sie auf den Flur. »Ich bringe dich zu deinen Gemächern, Tani.« Ihr Anblick gefiel ihm nicht. Ihre Augen bestanden nur noch aus schwarzen Pupillen, und ihre Haut war fahl, abgesehen von den dunklen Ringen unter ihren Augen. Ihre Finger in seiner Hand waren sehr kalt.
    »Kamose«, sagte sie stockend, warf einen Blick zurück auf Mersus noch geöffnete Tür und erschauerte. »Könnte ich bitte heute in deinem Zimmer schlafen? Ich möchte nicht allein sein.«
    »Würdest du nicht lieber bei Mutter schlafen?« Tani schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie nachdrücklich. »Bei dir fühle ich mich sicher. Ich will bei dir sein.«
    Er befahl seinem Haushofmeister, neben seinem Lager eine Pritsche aufzustellen, und während Heket sie bezog, zwang er Tani trotz ihrer schnatternden Zähne, einen Becher Wein zu trinken. »Mir ist so kalt«, klagte sie.
    »Das kommt von dem Schreck«, sagte er. »Komm. Geh zu Bett. Heket hat noch mehr Decken gebracht, und sie schläft an der Tür. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Doch«, flüsterte sie, als er sich über sie beugte und ihr einen Kuss gab. »Doch, ich habe Angst vor der Zukunft, Kamose. Du siehst doch, was das Leben Si-Amun angetan hat.«
    Er wollte sie beruhigen, ihr sagen, dass Si-Amun gewählt hatte und die unausweichlichen Folgen tragen musste, doch das brachte er nicht übers Herz. Ihr fielen bereits die Augen zu. Er löschte die Lampe und sank in dem Wissen auf sein Lager, dass er in den paar Stunden, seit Tani ihn wachgerüttelt hatte, ein ganzes Leben gelebt hatte und nun ein Greis war. Dafür wird Apophis zahlen, dachte er im Einschlafen. Irgendwann, Seqenenre, erfährst du Gerechtigkeit und du auch, mein Bruder. Dafür werde ich sorgen.
    Elftes Kapitel
    Er wachte kurz vor dem Tagesanbruch auf, war sofort ganz klar und lag mit den Händen unter dem Kopf da, lauschte auf Tanis Atem und sah, wie sich das farblose Frühlicht im Raum ausbreitete. Er wusste, dass die Küchen-und Hausdiener bereits auf den Beinen sein mussten, denn sie fingen mit ihrer Plackerei gewöhnlich an, ehe die Familie aufstand, doch er hörte keine muntere Geschäftigkeit, keine Liedfetzen auf dem Flur oder das Platsch-platsch beflissener Füße in Sandalen. Ich muss meinen ganzen Mut zusammennehmen und aufstehen, dachte er. Ich muss mich dem Entsetzlichen stellen. Mutter, Tetischeri, alle werden heute mit mir reden und weinen wollen, und sie werden sich an mich wenden, weil ich jetzt das Familienoberhaupt bin. Sie werden von mir erwarten, dass ich stark bin, Entscheidungen treffe, wenn es gar keine zu treffen gibt, nur damit sie beruhigt sind. Wann wird die Kunde von Si-Amuns Selbstmord in Auaris eintreffen? Wie wird Apophis reagieren?
    Ihm war zwar bang ums Herz, aber dennoch stemmte er sich hoch und ging barfuß zur Tür. Draußen wartete sein Haushofmeister geduldig auf seinem Schemel. »Achtoi«, sagte Kamose. »Schick jemanden zum Tempel. Lass Amunmose ausrichten, dass er heute die Riten für mich zelebrieren muss, und Ipi soll sich in Vaters Arbeitszimmer bereithalten, sowie ich gewaschen und angekleidet bin.« Als er ins Zimmer zurückkam, sah er, dass Tani wach war. Er schenkte ihr ein Lächeln. »Geht es dir heute Morgen besser?«
    »Ja«, antwortete sie, ohne sein Lächeln zu erwidern. »Aber ich habe schlecht geträumt, Kamose. Was soll nur aus uns werden?« Es klopfte taktvoll. Kamose gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze.
    »Mein Leibdiener will mich waschen«, antwortete er. »Und du machst dir bitte keine Sorgen um die Zukunft, Tani. Die liegt im Schoß der Götter und auch in meiner Hand. Hast du kein Zutrauen zu deinem großen Bruder?«
    »Natürlich«, gab sie zurück, setzte sich auf und gähnte. »Es ist nur …« Er drohte ihr mit dem Finger.
    »Hör auf. Ich schicke dir Heket, und dann gehst du heute bitte zu Mutter und tröstest sie. Du bist stärker, als du denkst, kleine Tani. Weißt du noch, wie du immer mit Vater geplaudert hast, als er von seiner Verwundung genesen ist?

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