Der fremde Pharao
Man kann einen Fürsten wohl bestrafen. Aber eine junge Prinzessin hinzurichten, das ist eine andere Sache.«
Tetischeri murmelte zustimmend. »Vom Moralgefühl her ist er ein Straßenköter«, erklärte sie, »was jedoch die Selbsterhaltung angeht, ein flinker Jagdhund. Er wird unserer Tani nichts tun.«
Aahotep hatte sich bislang nicht geäußert, doch als Isis ihr die geflochtene Perücke aufs Haar setzte und nach dem goldenen Krönchen griff, sagte sie: »Du trägst jetzt Lapislazuli, Kamose. Du ziehst als König nach Norden. Falls du sterben solltest, muss die Nachfolge gesichert sein.« Es hatte sie viel gekostet, diese Worte auszusprechen, und ihr voller Mund zitterte, als sie zu ihm hochblickte. »Unterzeichnest du jetzt einen Ehevertrag mit deiner Schwester und vollziehst die Ehe vor deinem Aufbruch?« Er schüttelte den Kopf.
»Das habe ich schon mit Ahmose geregelt«, antwortete er. »Aahmes-nofretari, du liebst ihn, und er wird Ahmose-onch ein guter Vater sein, falls er heimkommt. Die Zeit reicht nicht für ein richtiges Fest, mit dem man eine königliche Vermählung feiern sollte, und das tut mir Leid, aber morgen wirst du mit ihm im Tempel stehen und den Segen des Gottes empfangen, und die morgige Nacht müsst ihr das Beilager halten. Willst du auch?« Die junge Frau nickte.
»Aber du, Kamose«, warf sie ein. »Was wird aus dir? Willst du denn nie heiraten?«
»Ich glaube nicht«, sagte er und fragte sich, was sie wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass er ein Trugbild liebte, das ihn in seinen Träumen heimsuchte. »Ich bin der geborene Einzelgänger und dankbar, dass Ahmose meine Pflicht übernimmt.« Sie lächelte bei diesen Worten, und er ging zur Tür.
»Heute Abend bewirten wir die Fürsten ein letztes Mal«, sagte er, als er die Tür aufmachte. »Lassen wir uns also mit erlesenem Wein voll laufen, lauschen wir der Musik und tragen wir kostbare, wächserne Duftkegel auf dem Kopf. Wir wollen das Leben feiern.«
Als er durch den dämmrigen Flur zu seinen eigenen Gemächern zurückkehrte, stritten tausend Sorgen um seine Aufmerksamkeit, doch er hörte auf keine. Jetzt nicht, gebot er dem inneren Stimmengewirr. Jetzt ist es Zeit für heißes Wasser und königliches Leinen, für Augenschminke und Henna auf den Handflächen, für eine letzte Umarmung, die Vergangenheit und Gegenwart umfasst, ehe die ungewisse Zukunft uns alle verschlingt.
Als er auf dem Badesockel stand und sein Leibdiener ihn wusch, zwang er seinen Kopf, die Botschaften beiseite zu schieben und nur noch mit allen Sinnen zu fühlen: das Gegurgel des duftenden Wassers, das an seinen Gliedmaßen herunterrann und im Abfluss im Boden verschwand, das Gerubbel des Badetuchs, mit dem die Stelle zwischen seinen Schulterblättern kräftig bearbeitet wurde, der jähe, berauschende Lotosduft, als der Mann einen Krug mit Öl entstöpselte.
Auf eine gemurmelte Bitte hin legte sich Kamose auf eine Bank und genoss das Kribbeln seiner Haut in vollen Zügen, ehe er sich unter den kühlen, eingeölten Händen seines Dieners entspannte. Doch da schoss ihm ein ungebetener Gedanke durch den Kopf, scharf und schmerzend wie ein Messer. Genau dort schlagen die Dämonen zu, dort zwischen den Schulterblättern. Mörder auch, es sei denn, der Mensch ist sich keiner Gefahr bewusst, schläft vielleicht oder ist tief in Gedanken versunken. Ach, mein Vater, du sitzt gewiss friedlich unter der heiligen Sykomore, wo Osiris herrscht, bete für mich! Und du, Si-Amun, mein Bruder, gestorben durch eigene Hand, wo bist du? Würde eine Bitte deines Bas an die Götter mir Segen oder Fluch bringen? Er stöhnte, und die Hände des Mannes hielten inne. »Habe ich dir wehgetan, Fürst?«, fragte er fürsorglich. Kamose verneinte mit dem Kopf auf dem schmalen Kissen. Mir tut das Herz weh, antwortete er stimmlos, und wie sehr ich mich auch bemühe, ich kann mich dieser Not nicht entziehen. Hoffentlich ist der Wein heute Abend stark und wirkungsvoll!
An diesem Abend war der Speisesaal beinahe voll, denn Kamose hatte nicht nur die fünf Fürsten eingeladen, sondern auch seine Hauptleute, den Bürgermeister von Waset und seine Verwalter und deren Ehefrauen, dazu die Amun-Priester. Überall auf den kleinen Speisetischen und auf dem Boden lagen Blumen verstreut, erzitterten im Luftzug von flatterndem Leinen und gaben ihren Duft stoßweise an den Raum ab. Jede Lampe, die Aahotep aufbieten konnte, erfüllte den großen, dämmrigen Raum mit goldenem Tageslicht. Es gab keine
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