Der fremde Pharao
dachte er dankbar. Natürlich wird ein Großteil meines Wohlstands für Steuern an die Machthaber im Norden draufgehen, aber ich will mich nicht beklagen. Nicht, solange ich schalten und walten kann, wie ich will.
Er bewegte sich, denn der kleine Ziegelsteinbrocken in seiner Sandale drückte auf einmal, und als er sich bückte, um ihn zu entfernen, da packte ihn die Angst. Ich mache mir etwas vor, wenn ich glaube, dass man mich hier im Süden vergessen hat, dass Apophis nur dann an mich denkt, wenn er seine Steuereinnehmer schickt, schoss es ihm durch den Kopf. Die große Entfernung zwischen uns gewährleistet meine Sicherheit keineswegs. Schön, wenn es so wäre, aber ich bin für ihn wie dieses Steinchen, das ihn dann scheuert, wenn ihn nichts von dem Wissen ablenkt, dass es mich gibt. Ich kann meine Abstammung nicht leugnen und in der Namenlosigkeit des niederen Adels untertauchen. Ich gemahne ihn an seine fremdländische Abstammung, und was ist die schon, verglichen mit den mächtigen Göttern, die mich gezeugt haben? Aber daran will ich heute nicht denken. Ich bin nicht hier hochgeklettert, um über Apophis’ oder meine Vergangenheit nachzudenken. Wie herrlich ist doch mein Zipfel dieses schönen Ägyptens! Er lehnte sich mit halb geschlossenen Augen zurück.
Er mochte eine Stunde auf einer Woge der Schläfrigkeit dahingetrieben sein und die stetige Brise genossen haben, die die Hitze der Nachmittagssonne milderte, und hatte gerade gedacht, er hätte lange genug verweilt und sollte das Dach lieber verlassen, als ihn ein Ruf zwang, zögernd aufzustehen. Er ging zur Dachkante und blickte hinunter. Si-Amun stand in einer Bresche der baufälligen Umfassungsmauer und sein Zwillingsbruder Kamose hinter ihm. Die beiden jungen Männer waren nackt bis auf das Lendentuch.
»Ich habe mir schon gedacht, dass du da bist, Vater!«, rief Si-Amun und zeigte nach Norden. »Wir sind schwimmen gewesen und haben hinter der Biegung ein königliches Boot gesehen. So wie es das Segel einholt, will es, glaube ich, an unserer Bootstreppe anlegen. Was meinst du?«
Seqenenre blickte in die Richtung, in die der Arm seines Sohnes wies. Ein schmales Boot, dessen dreieckiges Segel noch immer eingerollt wurde, mühte sich in seine Richtung. Blauweiße Stander flatterten an Bug und Heck. Auf dem Deck standen mehrere Männer, die dieselben Farben trugen. Ja, ein königliches Boot, dachte Seqenenre. Es fährt gewiss vorbei. Die meisten fahren auf dem Weg nach Kusch vorbei, wollen nur Gold aus den Bergwerken, Sklaven, Straußenfedern und andere exotische Kinkerlitzchen holen. Si-Amun erhofft sich wahrscheinlich, dass es wirklich hier anlegt. Der wünscht sich doch nichts sehnlicher als einen Besuch von Vertretern des Königs und wird ihnen auch noch die allerletzte Einzelheit über das Leben in Auaris aus der Nase ziehen, obwohl seine Treue zu mir ihm verbietet, zu viel Freude über eine so gute Gelegenheit zu zeigen. Aber ich atme auf, wenn es vorbeifährt und nicht mehr zu sehen ist. »Ich glaube, die kreuzen nur gegen den Wind«, rief er zurück. Si-Amun hob ergeben die Schultern.
»Vermutlich hast du Recht«, sagte er laut, »und ich langweile mich heute.« Er winkte und strebte dann dem Haus zu. Seqenenre sah kurz hinter ihm her, doch dann forderte der Fluss wieder seine Aufmerksamkeit. Er hatte erwartet, den Bug des Boots und erneut gehisste Segel zu sehen, doch zu seiner Bestürzung waren die Riemen bereits ausgefahren, und das Boot glitt in Richtung Bootstreppe. Erschrocken hastete er die Treppe hinunter.
Er überquerte den Hof, und als er die Mauerlücke erreichte, wartete Kamose dort auf ihn. »Si-Amun hat Recht gehabt. Sie fahren nicht weiter«, sagte er knapp. »Sie wollen zu uns.« Kamose trat einen Schritt zurück, während sich sein Vater durch die Lücke zwängte, und dann blickten beide zum Fluss.
»Was können sie von uns wollen?«, fragte Kamose besorgt. »Neujahr ist vor fünf Monaten gewesen. Der Tribut ist gezahlt, die Geschenke sind abgeschickt und bestätigt worden, und für die Steuererhebung ist es noch zu früh.«
Seqenenre schüttelte den Kopf und schenkte seinem gut aussehenden Sohn einen flüchtigen Blick, während sie zum Haus gingen. »Ich habe keine Ahnung«, antwortete er bedrückt, »doch etwas Gutes gewiss nicht, darauf kannst du dich verlassen.«
»Dann lass uns beten, dass sie nur eine Kruke Wein, ein gutes Essen und eine Nacht unter deinem Dach haben wollen, ehe sie nach Kusch weiterfahren«, meinte
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