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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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fernen Gipfeln. Miss Fowler würde er niemals belügen, aber er würde sich bereitwillig selbst etwas vormachen, falls darin seine einzige Aussicht auf Flucht bestand.

Kapitel 7
    »Es gibt Neuigkeiten«, murmelte Sergeant Feng dem Soldaten im Kampfanzug zu, der am Tor der 404ten Wache stand. »Die taiwanesische Invasion wird an der Küste stattfinden, nicht im Himalaja.«
    Die 404te glich einem Kriegsschauplatz. Am Rand des Bereichs waren Zelte errichtet worden. Man hatte den ursprünglichen Stacheldrahtzaun durch zusätzliche Drahtrollen aufgestockt, an denen gefährlich aussehende, rasiermesserscharfe Klingen angebracht waren. Die Stromzufuhr war unterbrochen, abgesehen von dem Draht, der zu einer neuen Scheinwerferbatterie am Tor führte, so daß das Gelände ins Halbdunkel getaucht wurde, als sich der letzte Schimmer der Abenddämmerung über das Tal senkte. Die Soldaten waren damit beschäftigt, aus Sandsäcken Unterstände für Maschinengewehre zu bauen, als rechneten die Truppen des Büros mit einem Frontalangriff. Ein frischgemaltes Schild erklärte einen fünf Meter breiten Streifen innerhalb des Zauns zur Todeszone. Sollte ein Gefangener unaufgefordert diesen Bereich betreten, konnte er ohne Vorwarnung erschossen werden.
    Der Soldat hob sein Sturmgewehr. Sein Gesicht strahlte eine Roheit aus, die Shan erschaudern ließ. Sergeant Feng stieß Shan so heftig durch das Tor, daß er auf die Knie fiel. Der Kriecher musterte Feng einen Moment lang und wich dann mit widerwilligem Stirnrunzeln zurück.
    »Man muß denen klarmachen, wer hier das Sagen hat«, murmelte Feng, als er zu Shan aufschloß. Shan erkannte, daß es als eine Art Entschuldigung gemeint war. »Verdammte großspurige Gockel. Sacken den ganzen Ruhm ein und ziehen dann weiter.« Er blieb stehen und musterte die Unterstände der Kriecher. Dann deutete er auf Shans Baracke. »Dreißig Minuten«, rief er und ging zurück in die hell erleuchtete Todeszone.
    Die Luft in der dunklen Hütte roch intensiv nach Paraffin. Ein Geräusch war zu hören, als würden Mäuse über einen Felsboden huschen. Die Gebetsketten liefen auf Hochtouren. Jemand flüsterte Shans Namen, und eine Kerze wurde entzündet. Mehrere der Häftlinge setzten sich auf, ließen die Rosenkränze sinken und starrten ihn an. Die Müdigkeit war ihren Gesichtern deutlich anzusehen. Aber manche der Männer ließen noch etwas anderes erkennen. Widerstand. Es ängstigte Shan, aber es freute ihn auch.
    Trinle sprang auf, sobald er Shan erblickte.
    »Ich muß mit ihm sprechen«, bat Shan nachdrücklich. Choje lag völlig regungslos auf dem Bett hinter Trinle.
    »Er ist sehr erschöpft.«
    Plötzlich hob Choje die Hände und faltete sie über Mund und Nase. Dann atmete er dreimal tief durch. Das war für jeden frommen Buddhisten das Ritual des Erwachens. Das erste Mal atmete man aus, um die Sünde zu tilgen, das zweite Mal, um die Verwirrung zu beseitigen, und das dritte Mal, um die Hindernisse auf dem Weg der Wahrhaftigkeit beiseite zu schieben.
    Choje setzte sich auf und begrüßte Shan mit einem kurzen Lächeln. Er trug ein Priestergewand, ein unerlaubtes Priestergewand, das man aus Sträflingshemden zusammengenäht und irgendwie gefärbt hatte. Wortlos stand er auf, trat in die Mitte des Raums und ließ sich im Lotussitz nieder. Trinle gesellte sich zu ihm, und Shan nahm zwischen ihnen Platz.
    »Du bist schwach, Rinpoche. Ich hatte nicht vor, deine Ruhe zu stören.«
    »Es gibt so viel zu tun. Heute hat jede Hütte zehntausend Rosenkränze gebetet. Viele der Männer haben sich vorbereitet. Morgen werden wir versuchen, noch mehr zu schaffen.«
    Shan biß die Zähne zusammen und kämpfte gegen seine Gefühle an. »Vorbereitet?«
    Choje lächelte nur.
    Ein seltsames scharrendes Geräusch durchbrach die Stille.
    Shan fuhr herum. Einer der jungen Mönche drehte ehrfürchtig eine Gebetsmühle, die man aus einer Blechdose und einem Bleistift angefertigt hatte.
    »Bekommst du zu essen?« fragte Shan.
    »Die Küche wurde geschlossen«, erklärte Trinle. »Es gibt nur Wasser. Am Tor werden mittags Eimer hingestellt.«
    Shan zog die Papiertüte aus der Manteltasche, in der sich sein aufgespartes Mittagessen befand. »Ein paar Klöße.«
    Choje nahm die Tüte feierlich entgegen und reichte sie Trinle, damit dieser den Inhalt verteilte. »Wir danken dir. Wir werden versuchen, etwas davon an diejenigen im Stall weiterzugeben.«
    »Sie haben den Stall aufgemacht«, flüsterte Shan. Es war keine Frage,

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