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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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dem sie in der Dämmerung vorbeigefahren waren. Yeshe antwortete nicht.
    Feng nahm cfen Fuß vom Gas und sah auf der Karte nach. »Khartok«, sagte er ungeduldig. »Es heißt Khartok.«
    Shan nahm eine der Akten, die Tan ihm zur Verfügung gestellt hatte, warf einen kurzen Blick hinein und hob eine Hand. »Anhalten. Sofort.«
    »Wir haben keine Zeit«, protestierte Feng.
    »Möchten Sie lieber morgen vor Tagesanbruch losfahren und hierher zurückkehren?«
    »Es ist spät. Im Kloster wird man sich bald auf die letzte Zusammenkunft des Tages vorbereiten und die Lampen entzünden«, drängte Yeshe. »Vielleicht können wir dort anrufen und es mit einer telefonischen Befragung versuchen.«
    Feng wandte den Kopf und sah Shan in die Augen. Dann wendete er wortlos den Wagen und fuhr zurück ins Tal.
    Yeshe stöhnte auf und hielt sich die Hand vor Augen, als könnte er den Anblick nicht ertragen.
    Das waren keine Weidegründe, die Shan vor den Gebäuden zu sehen geglaubt hatte, sondern Ruinen, ein Feld voller Steine, das fast einen Kilometer vor dem Kloster begann. Die Steine lagen in keiner erkennbaren Ordnung auf dem Boden. Manche waren zu Haufen aufgetürmt, andere weitverstreut, als hätte jemand sie von den hoch aufragenden Bergen geworfen. Dennoch war jeder einzelne Stein einst von einem Steinmetz bearbeitet worden.
    In der Nähe des gompa hatte man in den Grundmauern mehrerer Gebäude Gärten errichtet. Ein Dutzend hockender Gestalten in roten Gewändern schaute auf und blickte dem unerwarteten Fahrzeug entgegen. Als der Wagen anhielt, erkannte Shan, daß sich hinter den Grundmauern eine neue Baustelle befand. Die Hauptmauer wurde wiederaufgebaut und erweitert. Am Rand des Waldes war stapelweise frisches Bauholz aufgeschichtet, daneben mehrere Paletten voller Zementsäcke.
    Yeshe hatte sich auf der Rückbank ausgestreckt und den Unterarm auf sein Gesicht gelegt.
    »Sie kennen sich mit gompas aus und wissen über die Gepflogenheiten Bescheid«, sagte Shan ungeduldig. »Ich brauche Sie.«
    Feng öffnete die hintere Tür. »Hier wird nicht geschlafen, Genosse.« Er zog an Yeshes Arm. »Verdammt, du zitterst ja wie eine in die Ecke getriebene Katze.«
    Shan betrat den Innenhof. Hier standen die gleichen Gebäude, die er auch in Saskya gesehen hatte, allerdings frisch gestrichen und sehr viel größer. Nicht nur einer, sondern fünf Chorten standen über das Gelände verteilt und wurden von Sonnen und Monden gekrönt, die man erst kürzlich aus Kupfer hergestellt hatte. Eine bessere Investition, erinnerte Shan sich. Direktor Wen vom Büro für Religiöse Angelegenheiten hatte gesagt, der Bauantrag von Saskya sei abgelehnt worden, weil das gompa am unteren Ende des Tals eine bessere Investition bedeute.
    Ein Mönch mittleren Alters erschien auf der Treppe der Versammlungshalle. Die Ärmel seines Gewands waren mit einem goldenen Streifen bestickt. Er breitete grüßend die Arme aus und kam eilig die Treppe hinunter. Shan achtete darauf, wie die anderen Mönche auf den Neuankömmling reagierten. Manche nickten ehrerbietig, andere wandten schnell wieder den Blick ab. Der Mann war ein ranghoher Lama, vermutlich der Abt. Doch weshalb schien er nicht überrascht, Shan hier zu sehen? Der Lama unterbrach einen jungen Schüler, der damit beschäftigt war, den Kies zu harken, und schickte ihn in die Halle. Dann wies er auf einen Kräutergarten im Schutz der Mauer. Schweigend folgte Shan ihm dorthin. Zwischen den Beeten standen einige Reihen Holzbänke, als würden die Novizen hier ihre Unterweisung erfahren. Am Ende des Gartens kniete ein alter Mönch und zupfte Unkraut.
    »Wir werden die Pläne bald erfüllt haben«, verkündete der Lama, nachdem Shan auf der vordersten Bank Platz genommen hatte.
    »Pläne?« Der junge Mönch brachte ein Tablett mit Tee, goß ihnen ein und zog sich mit einer hastigen Verneigung wieder zurück.
    »Für die Wiederherstellung der Unterrichtsgebäude. Richten Sie Wen Li aus, daß die Pläne fast erfüllt sind.« Das Verhalten des Lama wirkte irgendwie merkwürdig. Shan suchte nach einem geeigneten Begriff, um es zu beschreiben. Gesellig, beschloß er. Fast schon weltgewandt.
    »Nein. Wir sind wegen Dilgo Gongsha hier.«
    Der Lama ließ sich nicht beirren. »Ja, die Pläne sind praktisch erfüllt«, sagte er, als hätten die Themen miteinander zu tun. »Wissen Sie, der Bei Da-Verband hilft uns. Wir helfen uns gegenseitig mit unseren Wiederaufbauprojekten.«
    »Der Bei Da-Verband?«
    Der Lama hielt inne

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