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Der fremde Tote

Der fremde Tote

Titel: Der fremde Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Jäggi
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spiessigen Alltag als Ehefrau eines Buchhalters etwas Abwechslung im Nachtleben suchte, während der grosse schlanke Korbi zu einem wahren Traummann in elegant-sportlichem Outfit mutierte. Da Korbi etwas jünger war als ich und unser neues Aussehen dies auch noch unterstrich, konnte er gut als mein junger Liebhaber, als mein Gigolo, durchgehen. Aaron lieh mir ein sündhaft teures, wunderschönes und dennoch dezentes Geschmeide aus Platin und Rubinen, nachdem ich ihm eine abenteuerliche Geschichte über irgendwelche Recherchen bei einer Geisterbeschwörerin aufgetischt hatte. Natürlich glaubte er mir kein Wort, und ich schämte mich ein wenig. Der Mann war klug, so klug, dass er nicht weiter in mich drang, sondern mich lediglich aufforderte, etwas mehr zu essen sowie gut auf mich und den wertvollen Schmuck aufzupassen.

    Sahen Korbi und ich schon umwerfend aus, so war Nikolaus Meinder der absolute Hammer. In seinem schwarzen Nadelstreifenanzug, den italienischen, handgenähten Schuhen und dem schwarzen, ebenfalls handgefertigten Hut, sah er aus wie der Pate höchstpersönlich.
    „Wo hast du denn diesen Aufzug her?“
    Leicht gelangweilt winkte der Pate ab und zeigte dabei einen prächtigen Siegelring mit einem eingefassten Diamanten: „Ich bin ein Geist und habe so meine Beziehungen“, sprach er mit lässiger Nonchalance.
    Frau Altenburg erkundigte sich, mit wem wir denn redeten.
    „Wir üben für unser Meisterstück“, erklärte Korbi feierlich. Und ich hatte so das Gefühl, dass dies der Wahrheit sehr nahe kam.
    Unter dem Namen Herr und Frau Neumeier hatten wir uns vorsorglich ein Zimmer am Bellevue reservieren lassen. Die Nacht konnte sehr, sehr lange werden. Bevor wir den Zug bestiegen (1. Klasse natürlich), nestelte ich aus meinem eleganten schwarzen Handtäschchen einen kleinen silbernen Spiegel hervor und betrachtete mich noch einmal ausgiebig. Die blauen Kontaktlinsen und das raffinierte Make-up veränderten mein Aussehen gewaltig. Wäre ich an mir vorübergegangen, ich hätte mich selber nicht erkannt. Die hochhackigen schwarzen Pumps machten mir ein wenig zu schaffen. Doch mit etwas Glück mussten wir nicht viel laufen. Korbi hob den kleinen, teuren Koffer von Samsonite auf das Gepäckfach.
    Wo bloss Nikolaus Meinder blieb?, dachte ich, und schon sass der Pate uns gegenüber. „Musste mich noch von Eva verabschieden. Sie ist ein wirklicher Schatz, und für so eine Aufgabe bin ich wie geschaffen. Sie hat das ganz richtig erkannt“, erklärte er würdevoll mit der heiseren Stimme des Paten. Gleich darauf wurde er wieder ernst. „Hört mir gut zu. Ihr tut erstens nur, was ich euch sage. Sollte etwas schiefgehen, etwa wenn ihr von der Polizei erwischt werden solltet, dann bleibt ihr bei eurer Aussage. Ihr kanntet Hanno Herzig nicht, wisst also auch nichts über seine Vergangenheit, über den Schreiner, die Tante und so weiter. Ihr sagt, ihr wärt eben in eine so fantastische Geschichte reingeraten, der ihr als Künstler – Schriftstellerin und Theatermann – einfach nicht widerstehen konntet. Schwärmt denen vor, was für ein aufregender Roman, was für ein aufregendes Bühnenstück daraus erwachsen könnte und weiteren solchen Schwachsinn. Das entspricht ja auch in etwa der Wahrheit, wenn ich mich nicht irre.“
    Trotz meiner leisen Furcht und der Aufregung, konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken. Der Pate, das Schlitzohr, hatte nicht ganz unrecht. Das könnte ein Knüller werden für Korbi und mich. Andererseits hatte ich weniger Angst vor der Polizei als vor Zuhältern, Killern und dergleichen. Wenn wir einen Fehler machten, dann würden die uns diesen Schmus nicht abnehmen; wir kämen womöglich nicht einmal dazu, irgendeine Erklärung abzugeben. Ein Pärchen verschwindet einfach, das kommt vor. Mich schauderte, und auch Korbi war etwas blasser geworden unter seiner braunen Tönungscrème. Schliesslich forderte Nikolaus mich auf, meine Handtasche zu öffnen, wo ich eine beachtliche Anzahl Geldscheine vorfand. Auch Korbi verfügte auf einmal wie durch Geisterhand über eine wohlgefüllte Brieftasche aus weichem Leder.

11. Im Fegefeuer?
     

    Hanno fühlte sich elend. Er hätte nie gedacht, dass man sich als Toter elend fühlen, dass man überhaupt noch etwas spüren konnte. Nach seinem idiotischen Auftritt bei dieser Frühstücksgesellschaft schwanden seine Kräfte. Er konnte sich kaum mehr auf eine Sache konzentrieren. Manchmal musste er höllisch lange überlegen, wie sein Name lautete.

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