Der fremde Zwang
viel geheimnisvoller, aber nicht weniger beweisbar war, schien ihm das gleiche Verhältnis von Zeit und Geschwindigkeit zu sein.
Masse und Energie standen im gleichen Verhältnis zueinander wie Zeit und Geschwindigkeit.
Das eine waren faßbare Begriffe, das andere reine Abstraktionen. Und doch, so hatte Ann Holder behauptet, ließ sich unter gewissen Umständen Zeit in Energie verwandeln, wie sich auch Masse in Geschwindigkeit – auf dem Umweg über die Energie – verwandeln ließ.
Ein unentwirrbarer Dschungel wissenschaftlicher Hypothesen.
Wenn aber zwei in Beziehung zueinander stehenden Dinge zwei ebenfalls verwandten Dingen gegenüberstanden, und wenn sich auch nur ein einziges Ding in das andere der Gegenseite verwandeln ließ, dann mußte das auch mit dem restlichen der Fall sein.
Zeit also …
Professor Hendersons Gehirn setzte urplötzlich aus.
Es war, als griffe eine Hand durch die Schädeldecke, zögerte eine winzige Sekunde – und entfernte dann den Inhalt.
Henderson verlor die Fähigkeit des selbständigen Denkens.
Dafür übernahm jemand anders diese Tätigkeit.
Dieser Vorgang kam Henderson nicht zu Bewußtsein, und als er mit seinen noch sehenden Augen den weißlichen Nebel erblickte, als habe er genug beobachtet, sah er ihn zwar, erfaßte aber nicht seine Bedeutung.
Mit zuerst unsicheren Schritten bewegte sich Henderson über die Hülle der „Universum“ hinweg. Ohne die Magnetschuhe hätte er sich jetzt wahrscheinlich von ihr gelöst und wäre hinein in den Raum gefallen, der für ihn dann kein Ende mehr gehabt hätte.
So aber erreichte er sicher die offene Luke zur Luftschleuse, kletterte hinein und schloß sie. Luft strömte ein, automatisch öffnete er den Helm und stieg aus dem Anzug. Dann öffnete er die Sicherheitstür zum Gang und ging langsam aber zielbewußt zur Zentrale.
Glenn hatte die Wache. Er sah überrascht auf.
„Nanu, Professor? Schon zurück? Ich meine, Sie wollten einige Stunden lang beobachten?“
„Ich habe genug gesehen“, entgegnete Henderson sofort. „Sehr interessant, wirklich, sehr interessant. Ändern Sie den Kurs und setzen Sie die Geschwindigkeit herab, so daß die ‚Universum’ manövrierfähig wird.“
Glenn starrte den Professor verständnislos an. „Wie meinen Sie?“ stammelte er schließlich. „Wir sollen den Kurs ändern? Warum denn das?“
„Tun Sie, was ich Ihnen sage“, wies ihn Henderson zurecht. „Ich habe meine Gründe. Wir werden das nächste System anfliegen und auf ihm landen.“
Glenn schaute befremdet in Richtung der Luke.
„Ich sehe kein System.“
„Sie werden es sehen, sobald die Geschwindigkeit sinkt. Glenn Martin. Tun Sie, was ich Ihnen sage.“
Glenn zögerte, entschloß sich aber dann, den Befehl des Expeditionsleiters zu befolgen. Schließlich mußte ja Henderson selbst am besten wissen, ob sich ein weiterer Zeitverlust mit Hilfe von Ann kompensieren ließ.
„Na gut, wie Sie wünschen“, sagte er und stellte Verbindung zur Messe her, wo Brenner Freiwache hatte. Er weckte den Physiker und bat ihn, sich in den Maschinenraum zu begeben.
Zwei Minuten später antwortete Brenner von dort und wartete auf weitere Anweisungen der Zentrale.
Diese kamen prompt.
Henderson gab mit erstaunlicher Sicherheit die neuen Koordinaten durch, bestimmte Richtung und Geschwindigkeit beziehungsweise Verzögerung, warnte vor einer Dunkelsonne ganz in der Nähe und gab schließlich die exakte Position des zu erreichenden Systems durch.
Glenn leitete die Angaben weiter, damit Brenner entsprechende Einstellungen am Antrieb vornehmen konnte. Er selbst kümmerte sich um die Steuerung und legte die „Universum“ auf neuen Kurs.
Erst dann wandte er sich erneut an Henderson.
„Sagen Sie mir nur eins, Professor: Wieso ist Ihnen der Entschluß, eine Zwischenlandung vorzunehmen, so plötzlich gekommen?“
Henderson schien wieder sicherer geworden zu sein, wenigstens was seine Reaktion auf unerwartete Fragen anbelangte.
„Draußen hat man einen besseren Überblick als hier in dem Kontrollraum. Hinzu kommt, daß wir ja schließlich eine Zwischenlandung planten. Warum nicht gerade jetzt, wo ein System so günstig liegt?“
Glenn nickte langsam.
„Stimmt, warum nicht? Trotzdem finde ich es merkwürdig!“
Henderson fuhr ihn mit ungewohnter Schärfe an:
„Unterlassen Sie die Kritik, Glenn Martin! Sie ist vollkommen überflüssig und fehl am Platze. Ich weiß ganz genau, was ich tue. Wenn Sie weiterhin widersprechen, lasse ich Sie
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