Der Friseur und die Kanzlerin
gemächlich verteilt zu werden. Wir setzten uns, und ich sehe mich gezwungen, die geordnete Darstellung der Ereignisse zum Wohle des Lesers mit einer kleinen Abschweifung zu unterbrechen.
Im Laufe meines bewegten Lebens habe ich, weniger mit Intelligenz als mit Wagemut, Hartnäckigkeit und – ohne mich rühmen zu wollen – einem selten anzutreffenden Geschick, mich zu verstellen und eine ganz andere gesellschaftliche Stellung als die meine vorzugeben, Geheimnisse ergründet, Fälle gelöst und mir aus Patschen geholfen. Doch die Natur, die mir dieses Talent geschenkt hat, hat mir ein anderes, zweifellos wichtigeres vorenthalten, und so habe ich mich auf dem Gebiet der Liebe nie wirklich zu entfalten vermocht. Nicht einmal schlecht, wie es die übrigen Vertreter des Menschengeschlechts tun. Im Ödland, das mein Leben in dieser Hinsicht gewesen ist, hat nur selten ein Aufblitzen die monotone Dunkelheit aufgebrochen, in deren Schutz, ich gestehe es, ich mir triste Surrogate verschafft habe. Von diesen seltenen Blitzen hat keiner ein solches Licht auf meinen Geist geworfen oder mich so, gemäß der Definition dieses Wortes durch die Königliche Akademie, aufgegeilt wie meine Beziehung mit Emilia Corrales, die ich nun nach so langer Zeit wiedergefunden hatte.
Für diejenigen, die den Roman nicht gelesen haben, den ich seinerzeit über diese Episode schrieb, füge ich an, dass Emilia und ich uns in Madrid kennenlernten, wohin mich eine Geheimmission geführt hatte und wo sie mich auszurauben versuchte und auszurauben schaffte. Wie zu erwarten war, überstanden wir das Abenteuer, das die Folge dieser Begegnung war, beide übel zugerichtet, doch im Verlauf jener Geschehnisse gab es ein Ereignis, das mir trotz des unerbittlichen Laufs der Zeit in lebhafter Erinnerung geblieben ist.
«Nichts», antwortete sie. Und mit echt besorgter Miene fügte sie hinzu: «Die Kleine kommt gleich. Bei der ersten unangebrachten Bemerkung bring ich dich um.»
«Ich werde vorsichtig sein, aber sie wird erst in einer Stunde oder noch später kommen. Ich habe sie für heute in den Salon bestellt, und da wird sie auf mich warten. Ich wollte sie fernhalten während meiner Ermittlungen, wer die Fäden in der ganzen Geschichte bewegt hat. Natürlich, wenn ich gewusst hätte, dass du es warst …»
«Wie hättest du das wissen können? Meiner Tochter hab ich nie von dir erzählt, und sie konnte nicht erraten, dass wir uns schon vor ihrer Geburt kannten. Romulus der Schöne hat ihr mit deinen Abenteuern die Ohren vollgequasselt. Er hat dich aufrichtig geachtet.»
«Und ich habe ihn bewundert.»
«Das ist nicht dasselbe», erwiderte Emilia rau. «Weil er schön und unbesonnen ist, hat Romulus immer oberflächliche Gefühle geweckt bei Menschen, die ihn dann in der Stunde der Wahrheit im Stich gelassen haben.»
«Und was ist die Stunde der Wahrheit in der Geschichte, mit der wir es jetzt zu tun haben?»
«Ich dachte, du hast das Rätsel schon gelöst.»
Ich hatte mir mehrere Strategien ausgedacht, eine geschickter als die andere, aber vor Emilia war ich entwaffnet, und so entschloss ich mich, die Wahrheit zu sagen.
«Nur halb. Mit deiner Hilfe könnte ich es ganz lösen. Aber im Grunde kümmert mich das nicht – nur Quesito macht mir Sorgen. Ich möchte wissen, bis zu welchem Punkt sie aus eigener Initiative gehandelt und wie weit du sie für deine Machenschaften instrumentalisiert hast.»
Sie zeigte einen Anflug von Gereiztheit.
«Du wirst die Frauen nie verstehen», rief sie. «So kompliziert sind wir doch gar nicht.»
Sie lehnte sich auf dem Sofa zurück, faltete die Hände, schloss die Augen und schwieg. Ich schaute sie an und schwieg ebenfalls, in Erinnerungen verloren. Auch jetzt noch eine sehr ansehnliche Person, war Emilia Corrales ein hübsches, heiteres, gutgewachsenes, sympathisches, lebhaftes und intelligentes junges Mädchen gewesen. Sie hatte weder zu wenig Ehrgeiz noch zu viel Skrupel. Als junge Frau kam sie nach Barcelona, angezogen vom abgedroschenen Traum, im Film groß herauszukommen. Und vielleicht hätte sie es mit den genannten Eigenschaften tatsächlich weit gebracht, wenn sie ihre Laufbahn ein Jahrzehnt früher begonnen hätte, als das kulturelle Phänomen namens Striptease das matte Panorama des spanischen Films belebte. Aber als Emilia ihr hübsches Gesicht, ihr Talent und ihre Bereitwilligkeit gewinnbringend einsetzen wollte, hatte uns sogar der Nuntius Seiner Heiligkeit schon den Po gezeigt und die
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