Der Frühling - Hyddenworld ; 1
Mittag.«
»Das hatten wir bei Ihrer Ankunft«, sagte er zweideutig. »
Tempus fugit!
«
Sie trank von dem Wasser, fühlte sich sogleich erfrischt und trank noch mehr.
Plötzlich schlug eine Glocke an, und Festoon zuckte zusammen, als das Sprachrohr, das über ihm hing, heruntersauste, sodass er es bequem mit der rechten Hand erreichen konnte. Er zog es sich ans Ohr.
»Wie wären fürs Abendessen bereit«, sprach er hinein. »Leicht, aber nostalgisch, das passt zu meiner Stimmung.«
Eine leise Stimme war zu vernehmen. Festoon nickte und schob das Rohr wieder von sich.
»Das Essen ist unterwegs«, verkündete er.
Katherine nahm sich vor, genau aufzupassen, wo Parlance erschien, aber irgendwie war ihr klar, dass er aus jeder Richtung kommen würde, nur nicht aus der, in die sie schaute. Und so geschah es auch. Nahezu geräuschlos tauchte er aus dem Schatten hinter dem Podest auf, von irgendwo hinter dem Thron.
Wie aus dem Boden gewachsen stand er plötzlich da, in den Händen ein großes Silbertablett, auf dem ihr Abendessen stand, dazu eine Teekanne, Milch und eine Tasse mit Untersatz.
Festoon, dem nichts zu entgehen schien, nahm ihre Überraschung mir Freude zur Kenntnis.
»Im Unterschied zu dem anderen
ascenseur«,
sagte er, wobei er die französische Bezeichnung dem gewöhnlicheren »Lift« vorzog, »der allerlei Geklapper verursacht, muss dieser völlig geräuschlos sein, damit sein Kommen und Gehen mich nicht inkommodiert und meinen Schlummer stört. Er ist direkt mit der Küche verbunden.«
»Wo befindet sich der andere?«, fragte Katherine. »Ich bin noch nicht dahintergekommen.«
Festoon war über die Frage entzückt.
»Er arbeitet mit einer Hydraulik, die noch genauso funktioniert wie vor vielen Jahrzehnten, als er eingebaut wurde, und taucht da drüben aus dem Fußboden auf …«
Er nickte vage in eine Richtung zwischen der Tür des Winters und der des Frühlings.
»Der Fußboden tut sich auf, der Lift erscheint mit viel Lärm, die Fahrgäste steigen aus, und da wären sie! Einfach, aber aufdringlich, so ist das Leben nun mal. Es sollte einfach sein, aber die Welt drängt sich auf,
n’est-ce pas?
Aber vergeben Sie mir, Sie sind ebenso hungrig wie ich. Parlance, wenn Sie bitte auftragen würden.«
Sie aßen in angenehmem Schweigen, bis Katherine fragte: »Lord Festoon?«
»Ja, meine Liebe? Haben Sie eine Frage? Ich weiß einen forschenden Geist immer zu schätzen. Was möchten Sie wissen?«
»Was liegt eigentlich hinter den Türen der vier Jahreszeiten?«
»Träume«, antwortete er.
»Wessen Träume?«
»Unsere«, flüsterte er und wandte sich traurig von ihr ab. Offensichtlich fiel es ihm schwer, über die Frage allzu lange nachzudenken.
78
TÜREN
A ber so leicht kam er Katherine nicht davon, auch wenn er das Thema lieber gemieden hätte. Sie spürte, dass sie einer Wahrheit nahegekommen war, die auch sie selbst betraf.
»Wovon träumen Sie?«, wagte sie zu fragen.
Er brauchte nicht lang zu überlegen.
»Davon, einen Ort aufzusuchen, der … oder vielmehr, wo … einen Ort, der …«
Er schüttelte den Kopf. Die Erinnerung war zu schmerzlich, der Traum zu schwer zu ertragen. Seine Augen füllten sich mit Traurigkeit.
»Der was?«, bohrte Katherine.
»Sie sind sehr direkt, genau wie es die Schildmaid sein sollte.«
»Ich bin nicht die Schildmaid oder was auch immer. Ich bin Katherine.«
»Aber direkt sind Sie, so viel ist sicher.«
»Und? Wie lautet Ihre Antwort? Haben Sie Orte hinter den Türen besucht?«
»Nur einen einzigen, hinter der Tür des Frühlings. Die anderen habe ich nur in der Fantasie besucht, mit der ganz speziellen Hilfe von Parlance.«
»Wann sind Sie durch die Tür des Frühlings gegangen?«
»Ach!«, seufzte er sehr leise. »Ich habe befürchtet, dass Sie das fragen würden. Ich kann dort nie wieder hingehen. Tatsächlich kann ich jetzt durch keine der Türen mehr gehen, nie wieder. Aber wenn ich Ihnen vom Frühling erzähle, kann ich vielleicht für kurze Zeit wieder jene Tage durchleben, und Sie werden besser verstehen, warum ich heute in dieser bemitleidenswerten und hilflosen Lage bin.«
»Sprechen Sie, Mylord«, murmelte Parlance versonnen.
Der Koch hatte die merkwürdige Gabe, die meiste Zeit über unbemerkt zu bleiben, und tatsächlich hatte Katherine ganz vergessen,dass er da war. Aber da stand er und wischte sich eine wehmütige Träne aus dem Auge.
»Die Madeleines, die wir soeben gegessen haben, bringen mich zum Weinen«, sagte er, »aber
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