Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
Fluss, der als reißender Wildbach begann und sich am Ende, von Nebengewässern gespeist, als ehrwürdiger Strom gemächlich durch Marschen und das von ihm geschaffene Delta schlängelte.
    In der einen Richtung betrachtet, stellten die Teppiche den ewigenKreislauf der Jahreszeiten und die unablässige Erneuerung des Lebens dar, in der anderen den Übergang von der Jugend zum Alter auf dem Antlitz der Erde. Die eine Richtung wies nach rechts und die andere …
    »Seltsam«, seufzte Katherine, die jetzt an so vieles denken musste – an ihre Mutter, die Schatten im Henge, ihre Kindheit, Jacks versehrten Körper, an die Gefühle, die sie für ihn empfand und die sich verändert hatten wie die Jahreszeiten und doch vom ersten Tag an dieselben geblieben waren, so beständig wie die Erde selbst.
    »Nur dass sie gar nicht beständig ist«, sagte sie sich, und ihr Blick folgte dem Lauf des Flusses von seiner jugendlichen Phase im Hochgebirge des Frühsommers bis zu seinem Altern als mäandernder Strom im späten Frühling.
    »Oh!«, flüsterte sie. »Aber natürlich! Warum ist mir das nicht gleich aufgefallen …«
    Auf allen vier Teppichen schienen die Flüsse auch in jede Tür hinein- und aus ihr herauszufließen. Als Katherine dies erkannte, war ihr, als verwandelten sich die acht Wände des Saales, gleich ob Türen oder Teppiche, vor ihrem inneren Auge in eine großartige Welt, die vom Kreislauf des Lebens und seiner Erneuerung erzählte, von Jugend und Alter, von Tod und Wiedergeburt, als sei in jedem Augenblick des Lebens eine Ewigkeit enthalten, als sei jeder mit jedem verbunden, nach vorn und nach hinten, nach oben und nach unten sowie in jeder anderen Richtung.
    »Gefallen Ihnen die Teppiche?«, fragte Lord Festoon, und seine Stimme erlöste sie von dem Wirbeln in ihrem Kopf, das viel zu rasch an Schnelligkeit gewann. Selbst ihr Körper hatte begonnen, sich zu drehen, und sie lief Gefahr, die Balance zu verlieren und in die verwirrenden Spiegelungen und geometrischen Trugbilder des Eichenparketts oder in die Wandteppiche selbst zu stürzen.
    »Sie gefallen Ihnen!«, rief er begeistert und beantwortete damit seine Frage selbst, wobei er ihr Schweigen als Ausdruck reiner Freude missdeutete, obwohl sich in Wahrheit ein ganzes Kaleidoskop von Gefühlen dahinter verbarg.
    Er hatte aufgehört, mit Arthur zu sprechen, und sie offenbar von seinem Podest aus bei ihrem Rundgang beobachtet. Er und sein Thron waren ihr jetzt direkt zugewandt, während sich Arthur mitsamtdem Teppich, auf dem er lag, von ihr weg auf die andere Seite bewegt hatte und kaum noch zu sehen war.
    »Ja, sie gefallen mir«, begann sie, »aber …«
    »So setzen Sie sich doch, meine Liebe, Sie scheinen mir ganz benommen vor Freude und Verwunderung. Aber so sollte es eigentlich allen Sterblichen beim Anblick unserer wundersamen Welt ergehen. Es liegt nur an der Beschränktheit unseres Geistes und an der Angst vor Veränderung, dass unser Leben und unser Empfinden so unerfüllt und eintönig werden. Ich muss es wissen!«
    Er deutete auf den Fußboden zu seiner Rechten, wo gleich darauf, als schwebe der Teppich übers Parkett, Arthur erschien, der immer noch vergnügt dalag. Sie runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und gab es auf, daraus schlau werden zu wollen.
    »Setzen Sie sich auf den Teppich«, sagte Festoon einladend, »betten Sie Ihre hübsche Person auf die weichen Kissen, legen Sie sich hin, folgen Sie dem Beispiel unseres gemeinsamen Freundes und genießen Sie die Erfrischungen meines Küchenmeisters.«
    Er sprach jetzt mit so honigsüßer Stimme, dass jedes Wort Katherines Gliedern einen sanften Stups zu geben schien und sie dazu brachte, sich neben Arthur auf den Rücken zu legen.
    »Werde ich«, fragte sie misstrauisch, »von diesem Getränk ebenfalls so komische Gedanken bekommen wie von dem angeblichen Wasser, das mir Ihre Barmherzigen Schwestern gegeben haben?«
    Festoon zog ein Gesicht, als fühle er sich durch die Frage beleidigt, lachte aber gleichzeitig herzhaft.
    »Die Schwestern haben sich schon immer eigene Wege und Schliche einfallen lassen, aber Sie können mir vertrauen, wenn ich sage, dass Sie von diesem Wasser, das rein ist und nur von Rosenöl liebkost wurde, einen klaren Kopf bekommen werden und Lust auf die Freuden, die unserer noch harren. Damit meine ich das Abendessen nachher, das ich recht spät einzunehmen pflege und bei dem Sie mir heute, wie ich hoffe, Gesellschaft leisten werden.«
    »Ich dachte, wir hätten erst

Weitere Kostenlose Bücher