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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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schwieg nicht lange. Schweigen oder schmollen war nicht seine Sache.
    Schon im nächsten Moment brach er in Gelächter aus und sagte, indem er das im Überschwang der Gefühle gegebene Versprechen beiseiteschob, mit einem reumütigen Grinsen: »Nur habe ich keine Ahnung, wohin wir eigentlich gehen. Du?«
    Sein Gesicht hatte Wind und Sonne getankt. Er war braungebrannt und strotzte vor Gesundheit, und seine Augen strahlten lebhafter als bei seiner Ankunft Wochen zuvor.
    Auch sie sah anders aus, ausgeruhter, ihr blondes Haar noch heller, lockig vom Wind.
    »Hier oben fühle ich mich immer sicher«, sagte sie langsam. »Die Geister der Vergangenheit schützen uns. Weißt du was? Ich finde, wir sollten morgen nach Avebury gehen.«
    Avebury war einer von Arthur Lieblingssteinkreisen. Er liebte ihn noch mehr als Stonehenge, und Jack war noch nie dort gewesen.
    »Ist das zu Fuß nicht zu weit?«
    »Wir könnten mit dem Bus hinfahren, oder Mrs. Foale könnte uns am frühen Morgen hinbringen, und wir wandern dann zurück. Es sind nur zwanzig Meilen.«
    »Nur!«
    Jack war genauso fit wie Katherine, aber im Unterschied zu ihr so lange Fußmärsche nicht gewohnt. Sie kamen ihm noch immer viel länger vor, als sie tatsächlich waren.
    »Sieh es einfach als Auftakt zu unserer Wanderung an die Nordsee. Wir machen sie in Etappen, jedes Jahr ein Stück, und wenn wir ankommen, sind wir andere Menschen geworden und dann …«
    Sie stand da und sah ihn mit klopfendem Herzen an, drauf und dran, den Schritt ins Ungewisse zu wagen.
    »Was dann?«
    Bis zu diesem Moment wusste sie nicht, was sie sagen wollte, doch sie ließ sich von ihrem Gefühl leiten und platzte damit heraus. »Dann wirst du wissen, dass es nichts ausmacht, wenn du dein Hemd ausziehst und ich deine Verbrennungen sehe. Es wird einfach keine Rolle mehr spielen.«
    Sie merkte sofort, dass sie etwas Falsches gesagt hatte, denn seine Miene verfinsterte sich, sein Grinsen erlosch.
    »Es wird immer eine Rolle spielen«, sagte er.
    Sie sah ihn erschrocken an. Sie war zu vermessen gewesen und hatte zu viel gesagt. Trotzdem war es ungerecht. Wenn er seinen Gefühlen freien Lauf ließ und offen sagte, was er dachte, war das in Ordnung. Bei ihr nicht.
    »Tut mir leid«, sagte sie.
    Schweigend traten sie den Heimweg an. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und bedauerte, dass es so schwierig war, eine gemeinsame Sprache zu finden.
    Den Ausflug nach Avebury machten sie weder am nächsten noch am übernächsten Tag.
    Clare Shore lag im Sterben, und alles andere schien in eine Warteschleife zu geraten.

34
DAS AUGE DES PFERDES
    D er Arzt verließ gerade das Haus, als sie am späten Abend aus Newbury, wo sie sich einen Film angesehen hatten, nach Woolstone zurückkehrten. Er teilte ihnen mit, dass Clare nun schwächer sei denn je.
    Sie stand unter dem Einfluss starker Beruhigungsmittel, als sie nach ihr sahen.
    »Morgen … vielleicht übermorgen«, flüsterte Mrs. Foale. »Ich fürchte, ihr bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    Katherine liefen Tränen übers Gesicht. Obwohl sie sich schon lange mit dem Unvermeidlichen abgefunden hatte, war es ein Schock. Jack nahm sie in die Arme, und sie vergrub ihren Kopf an seiner Schulter und schluchzte.
    Als sie sich ein wenig gefasst hatte, holte sie sich etwas Warmes zum Anziehen, um in der Nacht bei ihrer Mutter zu wachen. Dort saß sie noch, als Clare kurz nach acht aufwachte und fragte: »Wo ist Jack? Ich möchte mit ihm sprechen.«
    Er kam sofort, setzte sich auf die Bettkante und nahm ihre Hand, wie er es am ersten Tag getan hatte.
    »Allein«, flüsterte Clare.
    Katherine und Mrs. Foale verließen den Raum.
    Jack sah in ihre dunklen Augen, die den Kampf gegen die Schmerzen aufgegeben hatten und nicht mehr strahlten. Er wusste, dass es ein Abschied war. Der Fremde, der schon die ganze Zeit in diesem Raum geweilt hatte, war nun ganz nah.
    Jack musste sich weit vorbeugen, damit er sie verstehen konnte.
    »Du musst etwas für mich tun, das ich selbst nicht mehr tun kann. Du musst auf den White Horse Hill.«
    »Ich …«, begann er.
    »Heute, heute Nachmittag gehst du zu dem Weißen Pferd undsagst, dass ich jetzt bereit bin. Ich wollte schon so lange selbst hinaufsteigen, aber natürlich fehlt mir die Kraft dazu. Jetzt musst du es für mich tun.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Jack?«
    Er sah sie an.
    »Kümmere dich um sie«, sagte sie, »und hör zu,
hör zu …
du musst zulassen, dass sie sich um dich kümmert. Das ist das größte Geschenk, das

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