Der Fuenf-Minuten-Philosoph
Instruments, wie den eines Spinetts, und die noch viel komplizierteren und subtileren Gesetze musikalischer Komposition ohne vorherige Schulung zu meistern imstande sein kann, wie dies bei Mozart, Beethoven und anderen Wunderkindern der Fall war.« Dem ließen sich die Berichte derer hinzufügen, die Erinnerungen aus einem früheren Leben ausgegraben haben, so Menschen, die Erinnerungen an den Holocaust haben, obwohl sie erst eine Generation später zur Welt kamen.
Wir täten gut daran, die Triftigkeit der Hypothese von der Reinkarnation an unserer eigenen Praxis zu überprüfen, indem wir so leben, als ob Nietzsches Maxime richtig wäre: »Lebe so, als ob du dein Leben immer wiederholen müsstest, lebe so, dass du es immer wiederholen könntest!«
Ist die Suche nach spiritueller Erfüllung in Einsamkeit exzentrisch
Dass jemand seine spirituelle Erfüllung in der Einsamkeit sucht, ist wohl seltener, als man erwarten könnte. Selbst in den östlichen Traditionen, die stark auf Mediation setzen, findet diese in der Sangha, in Gemeinschaft, statt. Einzelne ziehen sich für eine Zeit zur Einkehr in die Einsamkeit eines abgeschiedenen Ortes zurück, zuweilen unter schwierigen Bedingungen. So gab sich der tibetische Buddhist Milarepa (um 1052–1135) in einer Höhle im Himalaya neun Jahre lang ununterbrochen der Meditation hin. In einem Gedicht schrieb er: »Erhalte den Zustand der Ungestörtheit, und die Störungen verfliegen. Weile allein, und du findest einen Freund.« Die Buddhistin Tenzin Palmo, die 1944 im Londoner East End als Diane Perry zur Welt kam, verbrachte ab 1976 zwölf Jahre in einer abgelegenen Höhle von ca. 3 x 1,5 Metern im Himalaya, drei Jahre davon in strenger Meditationsklausur. »Das ganze Unternehmen war wie in einem Traum«, schrieb sie. »Es erschien nahezu unmöglich, dass ich diese ganze Zeit tatsächlich in Abgeschiedenheit verbracht hatte. Mir kam es eher wie drei Monate vor. Wenn man so lange Zeit in Einsamkeit verbracht hat, wird der Geist natürlich extrem klar.« In der abendländischen Tradition schreiben besonders strenge Ordensregeln die Einsamkeit formell vor. So sind Kartäuser nach der treffendsten Beschreibung eine Gemeinschaft von Einsiedlern, die Schweigegelübde abgelegt haben und in Einzelzellen leben, in der sie den Großteil des Tages allein in Gebet und Meditation zubringen. Sie verlassen sie nur dreimal am Tag zum Gemeinschaftsgebet in einer Kapelle. Einmal in der Woche dürfen sie spazieren gehen und dabei miteinander sprechen.
Ob es exzentrisch ist, sich zur Entfaltung eines spirituellen Lebens in die Einsamkeit zurückzuziehen, hängt von den Umständen ab. Einsamkeit bedeutet Verzicht. Orden, die in Abgeschiedenheit und mit Schweigegelübde leben und wie die Kartäuser durch Abkehr der Welt entsagen, sehen die Hingabe ihres Lebens ans Gebet als einen Dienst an. Dieses Prinzip, das letztlich für alle klösterlichen Ordensgemeinschaften gilt, dient üblicherweise als Begründung für ein Leben in Abgeschiedenheit. Ob die Mönche und Nonnen vollständig davon überzeugt sind, dass ihr Gebet als Werkzeug praktischer Nächstenliebe funktioniert, können wir nur vermuten. Manche werden indes nur deshalb in die Einsamkeit »gerufen«, damit sie später in die Welt zurückkehren. So räumte Tenzin Palmo ein, dass sie »geplant hatte, in meiner Höhle zu bleiben, aber das Leben tischt einem bisweilen eher das auf, was man braucht, als das, was man will«.Buddha, der einem privilegierten Leben entsagt hatte, suchte als Einsiedler in strenger Askese Erleuchtung. Als er sie erfuhr, kehrte er in die Gesellschaft zurück und wurde zum Lehrer und Begründer des Buddhismus.
Die meisten von uns können nur sporadisch auf Zeiten echter Abgeschiedenheit hoffen. Wenn sie sich dabei innerlich erneuern, bedeutet Einsamkeit keine Exzentrik. Die amerikanische Autorin und Journalistin Susan L. Taylor (* 1946) meinte dazu: »Wir brauchen ruhige Momente, um unser Leben offen und ehrlich zu überprüfen … nur ruhige Zeiten geben dem Geist die Gelegenheit, sich selbst zu erneuern und Ordnung zu schaffen.« So, wie unsere innere Wahrnehmung funktioniert, sehen sich die meisten Menschen im Zentrum des Universums und sind überzeugt, dass ihre Horizonte denen der Welt entsprächen. Aber nur wenige, die sich eine Auszeit in Einsamkeit gönnen und diese positiv nutzen, kehren aus ihrer »Klause« in die Welt zurück, ohne festzustellen, dass sich all ihre Horizonte geweitet haben.
Ist
Weitere Kostenlose Bücher