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Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Titel: Der Fuenf-Minuten-Philosoph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Benedict
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Zuhören ist der Beginn des Gebets.« Ein großer Unterschied besteht offenbar zwischen dem Gebet in der Gemeinde und einer nach innen gerichteten persönlichen Gebetspraxis, in der man womöglich »die stille schwache Stimme« hört.
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    »Beten ist nicht bitten. Es ist ein Sehnen der Seele. Es ist das tägliche Eingeständnis der eigenen Schwäche. Besser legt man in das Gebet ein Herz ohne Worte als Worte ohne Herz.«
    Mahatma Gandhi (1869–1948)
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    Wenn ein Gebet erhört wird – zum Beispiel eine Prüfung bestanden, ein Geschäft erfolgreich abgeschlossen oder eine Krankheit besiegt –, kommt dies einem Wunder gleich. Gott hat das Gebet irgendwie vernommen, es erwogen und den Lauf der Dinge so beeinflusst, dass das Erbetene eingetreten ist. Andererseits muss natürlich bei einem Bittgebet auch ein »Nein« als Antwort hingenommen werden. Aber wie Gottes Antwort auch aussieht, das Ergebnis erfordert eine Korrektur an der Naturgesetzlichkeit. Ähnlich äußerte sich denn auch der russische Romancier Iwan Sergejewitsch Turgenew (1818–1883): »Wofür ein Mensch auch betet, er betetfür ein Wunder. Jedes Gebet reduziert sich auf dies: ›Großer Gott, lass zu, dass zwei mal zwei nicht vier ist.‹« Dennoch steht hinter den meisten Gebeten die Haltung: »Bittet, so wird euch gegeben.« Wir sind so »erzogen« worden, dass wir bittend beten – in Form eines sogenannten Bittgebets oder einer Fürbitte. Und wir erwarten zweckdienliche Reaktionen. Aber Gebete werden nicht immer direkt und klar erkennbar erhört – eines der Probleme der Fürbitte. Eines scheint gewiss: Worum wir in einem Gebet auch bitten, wir können uns nicht einfach zurücklehnen und darauf warten, dass etwas geschieht, denn glauben beinhaltet auch Eigenverantwortung. So riet Augustinus von Hippo: »Bete, als hänge alles von Gott ab. Arbeite, als hänge alles von dir ab.«
    Franz von Assisi mahnte: »Wenn wir zu Gott beten, dürfen wir nichts, gar nichts erstreben«. Nach Buddha ist »das größte Gebet die Geduld«. Da es für Buddhisten keinen Gott im biblischen Sinn gibt, ist Beten das sich Öffnen hin zur Wahrheit, ein Entfalten des Geistes. »Das buddhistische Gebet ist eine Form der Meditation«, sagte G.   R. Lewis, ein Vertreter des Shin-Buddhismus. »Es ist eine Praxis der inneren Neukonditionierung … das Ersetzen des Negativen durch Positives, und weist uns auf die Segnungen des Lebens hin.«
Was erfahren Mystiker?
    Es wird allgemein anerkannt, dass alle Religionen nach dem streben, was sich in der mystischen Erfahrung erfüllt. Einfach gefasst, ist Mystik eine bewusste und doch intuitive Erfahrung des Einswerdens mit dem Göttlichen, dem Absoluten, der Natur oder mit dem, was für den Einzelnen am meisten Bedeutung hat. Mystik ist eine Dynamik, eine Energie, die von Menschen genutzt wird, die sich in der Regel aus den Geschäften des gewöhnlichen Lebens zurückgezogen haben. Sie konzentrieren sich in Abgeschiedenheit auf eine tiefe Kontemplation oder Meditation. Der irische Dichter William Buttler Yeats (1865–1939) schrieb: »Die Mystik war in der Vergangenheit eine der großen Kräfte der Welt und bleibt dies wahrscheinlich auch immer. Das Gegenteil zu behaupten, ist schlechte Wissenschaft.« Was der Mystiker erfährt, ist ein Destillat sämtlicher Glaubensrichtungen und Religionen und deren Glaubenslehren und theologischen Formulierungen. Es ist die Erfahrung einer extrahierten Essenz aus all ihren Glaubenswahrheiten.
    Der gemeinsame Nenner in der mystischen Erfahrung ist das Einswerden mit dem Göttlichen. Der persische Sufi Bayazid Bistami (803–875) beschrieb die Erfahrung so: »Ich entledigte mich meines Ichs wie eine sich häutende Schlange und blickte in mein Wesen oder Ich, und siehe, ich war Er.« Der Verfasser der ›Bhagavad Gita‹ beschwört die mystische Union: »O Krischna! Die Stille der mystischen Vereinigung, die du beschreibst, übersteigt meinen Verstand.« Der heilige Johannes vom Kreuz (1542–1591) bezeugt die Angst und sogar die Marter, die eine solche Vereinigung mit sich bringen kann, denn »sie überkommt die Seele als ein heftiger Angriff, um sie zu unterwerfen. Die Seele empfindet Schmerz in ihrer Schwäche«. Der deutsche Mystiker Heinrich Seuse (1295/1297–1366) beschreibt das mystische Erleben ebenfalls als eine herausfordernde Erfahrung: In diesem unvorstellbaren Berg des Übergöttlichen, in dem es eine Abgründigkeit gebe, für die alle reinen Geister empfänglich seien, trete die

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