Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
Händen des Secret Service gelandet ist. Und hast du gehört, was diese Agenten gesagt haben? Die Polizei hat Marshall wegen Mordes verhaftet, aber jetzt läuft er bereits wieder frei herum. Kommt dir das nicht auch ein bisschen verdächtig vor?«
»Vielleicht hat er ja eine Kaution gestellt?«, spekuliert Totte.
»Er hat keine Kaution gestellt«, ertönt eine Roboterstimme in Tottes Handy. Tadellose Täuschung.
Ich werfe Totte einen vorwurfsvollen Blick zu. »Du hast ihn die ganze Zeit mithören lassen?«
»Es gibt keinerlei Aufzeichnungen darüber, dass eine Kaution gestellt worden wäre«, unterbricht uns Tad. »In dem Polizeibericht steht nur, er sei freigelassen worden. Entweder hatten sie nichts gegen ihn in der Hand, oder aber Marshall hat einflussreiche Freunde, die nicht davor zurückschrecken, große Gefälligkeiten einzufordern.«
Dazu fällt Totte nichts ein. Das ist es. Der Präsident schlägt zurück.
Als ich im Archiv angefangen habe, habe ich gelernt, dass gute Archivare sich an die Regeln halten, während großartige Archivare ihren Instinkten folgen.
»Sie behaupten, er habe einen Pfarrer umgebracht?« Ich starre immer noch auf Marshalls Polizeifoto.
»Ja, und er hatte dabei einen Zettel mit deinem Namen in der Tasche. Warum?«
»Einfach so.«
Totte ist zwar auf einem Auge blind, aber er sieht trotzdem alles. »Beecher, diesen Blick kenne ich. Und ich weiß auch, dass dein Gehirn niemals irgendetwas vergisst … Deshalb bist du so ein großartiger Archivar. Aber was auch immer du über Marshall denkst, du musst es vergessen. Er ist nicht mehr dein Jugendfreund.«
Selbstverständlich hat Totte recht. Ich werfe einen Blick auf das Display, auf Marshs heutiges, verbranntes Gesicht, das fast wie eine Maske aussieht. Dann springe ich wieder in Gedanken nach Wisconsin zurück, durchforsche alte Erinnerungen und suche nach Verbindungen. Vielleicht ist diese Falle tatsächlich Clementines Hirn entsprungen. Oder aber der Präsident hat sie mir gestellt, weil er mich zum Schweigen bringen will und mich immer noch für den Tod seines besten Freundes verantwortlich macht. Oder aber er ist hinter dem Culperring her. Aber als mich Marshs Augen anstarren …
»Ich kann uns zum Tatort bringen«, verkündet Tadellose Täuschung durch Tottes Telefon.
Er klingt, als wäre das eine gute Nachricht. Und das ist sie auch. Je mehr Informationen wir bekommen, desto besser. Aber in meinem Kopf erklingt immer noch Tottes Warnung von vorhin: dass der Präsident bereits genau weiß, wie das endet. Als wir also zwischen denRegalen heraustreten und die Lampen hinter uns aufflammen, kann ich das Gefühl einfach nicht abschütteln, dass alles, was wir jetzt tun …
… genau das ist, was der Präsident will.
5. KAPITEL
Gelbes Polizeiband versperrt die Seitentür. Totte ist zu alt, um sich darunter hinwegzuducken. Er zieht es ab und lässt es wie den Schwanz eines Drachens in der Luft flattern. Ich folge ihm langsam zum Tatort.
Als wir die St. John’s Church betreten, haben wir den Eindruck, in einem alten Haus im Kolonialstil zu sein, das mit Büromöbeln eingerichtet ist.
»Würden Sie sich bitte eintragen?«, ruft uns jemand freundlich an.
Von rechts nähert sich uns ein Mann mit kurz geschorenem blonden Haar und einem athletischen Körperbau, der fast aus seinem dunklen Anzug platzt. Seine Art zu gehen versprüht eine solche Autorität, dass selbst Totte ein wenig zurückweicht.
»Wir sind hier mit Hayden Donius verabredet«, erwidert Totte. Ich kann mich an den Namen nicht erinnern.
»Tragen Sie sich einfach ein. Das Klemmbrett liegt da drüben.« Der Mann deutet auf eine antike Anrichte, und man sieht das Spiel seiner Muskeln unter dem Stoff seines Anzugs. »Hier haben Sie einen Stift. Aber Wiedersehen macht Freude«, scherzt er und drückt Totte einen blau-orangefarbenen Kugelschreiber der Universität von Virginia in die Hand.
Im nächsten Moment ist er verschwunden und lässt Totte und mich allein mit …
»Hayden Donius«, begrüßt uns ein großer Mann mit einer sanften Stimme und einem altmodischen, grauen dreiteiligen Anzug. Er schüttelt uns beflissen mit beiden Händen die Hände und stellt sich als der geschäftsführende Kirchenvorsteher vor. »Und Sie sind der Freund von …?«
Totte unterbricht ihn mit einem Nicken. Die beiden Männer tauschen einen vielsagenden Blick, und mir fällt wieder ein, was Tottesagte, als er mich in den Culperring einlud. Es gibt nur wenige Mitglieder, aber
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