Der fuenfte Berg
vernichtet, die ich liebte, und die Stadt, die mich aufnahm, als ich fern meiner Heimat war.«
Der Wind blies stärker in seinen Ohren. Elia erschrak, doch er fuhr fort:
»Ich kann diese Frau nicht wieder zurückholen, doch ich kann das Schicksal des Werkes Deiner Zerstörung ändern. Mose hat sich Deinem Willen gefügt und den Fluß nicht überschritten. Ich hingegen werde weitergehen: Töte mich sofort, denn wenn Du mich bis zu den Toren der Stadt gelangen läßt, werde ich aufbauen, was Du vom Antlitz der Erde fegen wolltest. Ich werde mich gegen Deinen Willen stellen.«
Mehr sagte er nicht. Er ließ seinen Kopf ganz leer werden und wartete auf den Tod. Lange konzentrierte er sich nur auf das Knirschen seiner Schritte im Sand - er wollte die Stimme der Engel oder die Drohungen des Himmels nicht hören. Sein Herz war frei, und er fürchtete nicht mehr, was ihm geschehen könnte. Dennoch begann irgend etwas tief in seiner Seele ihn zu bedrängen - als hätte er etwas Wichtiges vergessen.
Sie waren lange gegangen, da blieb der Junge stehen und rüttelte Elia am Arm.
»Wir sind da«, sagte er.
Elia öffnete die Augen. Das Feuer des Himmels war nicht über ihn herabgekommen, und um ihn herum lagen die zerstörten Mauern von Akbar.
Er blickte den Jungen an, der ihn nun an den Händen festhielt, als fürchtete er, er könnte ihm entkommen. Liebte er ihn? Er wußte es nicht. Jetzt hatte er eine Aufgabe zu erfüllen, die erste seit vielen Jahren, die ihm nicht Gott auferlegt hatte.
Dort, wo sie standen, konnten sie den Brandgeruch riechen. Raubvögel kreisten am Himmel und warteten auf den rechten Augenblick, um auf die Leichen der Wachsoldaten herabzustoßen, die in der Sonne verwesten. Elia ging zu einem der toten Soldaten und nahm ihm das Schwert aus dem Gürtel. Im Durcheinander der vorangegangenen Nacht hatten die Assyrer vergessen, auch vor der Stadt die Waffen einzusammeln.
»Wozu brauchst du das?« fragte der Junge.
»Um mich zu verteidigen.«
»Die Assyrer sind nicht mehr da.«
»Trotzdem ist es gut, es bei mir zu haben. Wir müssen auf alles vorbereitet sein.«
Seine Stimme zitterte. Man konnte nicht wissen, was geschehen würde, wenn sie durch die halbzerstörte Mauer in die Stadt traten, doch er war bereit, jeden zu töten, der ihn erniedrigte.
»Ich bin mit dieser Stadt zerstört worden«, sagte er zum Jungen. »Doch wie diese Stadt habe auch ich meine Mission noch nicht erfüllt.«
Der Junge lächelte.
»Du redest wieder wie vorher«, sagte er.
»Laß dich durch die Worte nicht täuschen. Vorher war mein Ziel, Isebel vom Thron zu stoßen und Israel dem Herrn zurückzugeben, und jetzt, wo Er uns vergessen hat, müssen auch wir Ihn vergessen. Meine Mission ist nun, das zu tun, worum du mich gebeten hast.«
Der Junge sah ihn mißtrauisch an.
»Ohne Gott wird meine Mutter nicht von den Toten zurückkehren.«
Elia strich ihm über den Kopf.
»Nur der Körper deiner Mutter ist gegangen. Sie ist immer noch bei uns und ist, wie sie gesagt hat, Akbar. Wir müssen ihr helfen, ihre Schönheit wiederzuerlangen.«
Die Stadt war beinahe menschenleer. Nur alte Männer, Frauen und Kinder waren auf der Straße - ziellos irrten sie umher wie in der Nacht der Invasion.
Jedesmal wenn sie jemandem begegneten, packte Elia den Griff des Schwertes. Doch die Leute zeigten sich gleichgültig: Die meisten erkannten den Propheten aus Israel wieder, einige grüßten ihn mit einem Kopfnicken, doch keiner richtete das Wort an ihn - nicht einmal ein haßerfülltes.
>Sie haben sogar ihre Wut verloren<, dachte er und blickte hinauf zum Fünften Berg, dessen Gipfel wie immer in den Wolken steckte. Dann erinnerte er sich an die Worte des Herrn: »Ich will eure Leichname auf eure Götzen werfen und meine Seele wird an euch Ekel haben ... Euer Land soll wüst sein und eure Städte verstört... und denen, die von euch übrigbleiben, will ich ein feiges Herz machen in ihrer Feinde Land, daß sie soll ein rauschend Blatt jagen, und sollen fliehen davor, als jagte sie ein Schwert, und fallen, da sie niemand jagt.«
»Sieh, was Du getan hast, Herr: Du hast Dein Wort gehalten, und die lebenden Toten wandeln weiterhin auf Erden. Und Akbar ist die Stadt, die Du dazu erwählt hast, sie zu beherbergen.«
Die beiden gingen bis zum Hauptplatz, setzten sich dort auf die Trümmer und blickten sich um. Die Verwüstung war schlimmer und grausamer, als er gedacht hatte. Die Dächer der meisten Häuser waren eingestürzt. Dreck und
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