Der fuenfte Berg
im Tal ankamen. Und Frieden aushandeln sollen, bevor der Krieg ausbrach.«
»Alles, was hätte geschehen können, aber nicht geschehen ist, trägt schließlich der Wind mit sich fort und läßt keine Spur zurück«, sagte der Hirte. »Das Leben entspricht unserer Einstellung zum Leben. Und es gibt Dinge, die uns die Götter zwingen zu leben. Ihre Beweggründe gehen uns nichts an, und wir können noch so sehr alles daransetzen, um verschont zu bleiben, es nützt doch nichts.«
»Warum?«
»Das fragt den israelitischen Propheten in Akbar. Angeblich weiß er auf alles eine Antwort.«
Der Mann ging zum Pferch.
»Ich muß meine Herde zur Weide führen«, sagte er. »Gestern sind sie hier nicht herausgekommen und sind jetzt ungeduldig.«
Er winkte ihnen zum Abschied und zog mit seinen Schafen davon.
Der Junge und der Mann gingen durch das Tal.
»Du gehst langsam«, sagte der Junge. »Hast du Angst vor dem, was passieren könnte?«
»Ich habe nur vor mir selber Angst«, antwortete Elia. »Niemand kann mir etwas antun, denn mein Herz ist nicht mehr.«
»Der Gott, der mich vom Tode zurückgeholt hat, lebt. Er kann meine Mutter zurückholen, wenn du dasselbe mit der Stadt tust.«
»Vergiß diesen Gott. Er ist fern und tut nicht mehr die Wunder, die wir von Ihm erwarten.«
Der Hirte hatte recht. Von diesem Augenblick an mußte er seine eigene Vergangenheit wieder aufbauen, vergessen, daß er sich einmal für einen Propheten gehalten hatte, der Israel befreien mußte, aber versagt hatte, als es darum ging, eine Stadt zu retten.
Dieser Gedanke ließ ihn seltsam hochgestimmt werden. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich frei - bereit, das zu tun, was er für richtig hielt, und zwar dann, wann er es wollte. Er würde keine Engel mehr hören, das war gewiß, doch dafür war er frei, nach Israel zurückzukehren, wieder als Tischler zu arbeiten, nach Griechenland zu reisen, um dort von den Weisen zu lernen oder mit den phönizischen Seefahrern in ferne Länder jenseits des Meeres aufzubrechen.
Vorher mußte er sich allerdings rächen. Er hatte die besten Jahre seiner Jugend einem tauben Gott gewidmet, der nur Befehle gab und alles immer auf Seine Art machte. Er hatte gelernt, Seine Entscheidungen zu akzeptieren und Seine Ratschlüsse zu respektieren.
Doch seine Treue war damit entgolten worden, daß er verlassen wurde, sein Eifer wurde nicht wahrgenommen, seine Bemühungen, den höchsten Willen zu erfüllen, hatten den Tod der einzigen Frau zur Folge, die er je geliebt hatte.
»Du hast Macht über die Welt und die Sterne«, sagte Elia in seiner Muttersprache, damit der Junge neben ihm seine Worte nicht verstand. »Du kannst eine Stadt, ein Land zerstören, wie wir Insekten töten. Dann schicke doch das Feuer des Himmels und mach meinem Leben ein Ende, ansonsten werde ich mich gegen Dein Werk wenden.«
Akbar tauchte in der Ferne auf. Er nahm die Hand des Jungen und drückte sie fest.
»Von nun an, bis wir durch die Stadttore treten, werde ich mit geschlossenen Augen gehen, und du mußt mich führen«, bat er den Jungen. »Wenn ich unterwegs sterbe, dann tu, worum du mich gebeten hast: Baue Akbar wieder auf, auch wenn du dafür erst einmal erwachsen werden und lernen mußt, wie man Holz oder Steine bearbeitet.«
Der Junge sagte nichts. Elia schloß die Augen und ließ sich führen. Er hörte das Rauschen des Windes und das Knirschen der eigenen Schritte im Sand.
Er erinnerte sich an Mose. Denn obschon er das auserwählte Volk befreit und durch die Wüste geführt hatte und dafür vielerlei Schwierigkeiten überwinden mußte, erlaubte ihm Gott nicht, Kanaan zu betreten. Damals hatte Mose gesagt: »Laß mich hinübergehen und sehen das gute Land jenseits des Jordans.«
Der Herr war erzürnt über seine Bitte. Und sagte: »Laß es genug sein! Rede mir davon nicht mehr! Steige auf die Höhe des Berges Pisga und hebe deine Augen auf gegen Abend und gegen Mitternacht und gegen Morgen und siehe es mit Augen; denn du wirst nicht über diesen Jordan gehen.«
So entgolt der Herr Moses lange, schwere Arbeit, indem er ihm verwehrte, das Gelobte Land zu betreten. Was wäre geschehen, wenn er nicht gehorcht hätte?
Elia wandte seine Gedanken wieder dem Himmel zu.
»Mein Herr, diese Schlacht war kein Kampf zwischen den Assyrern und den Phöniziern, sondern zwischen Dir und mir. Du hast mir unseren persönlichen Krieg nicht angekündigt, und wie immer hast Du gesiegt und Deinen Willen geschehen lassen. Du hast die Frau
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