Der Fünfte Elefant
bedeuten nicht viel.«
»Darf ich fragen, wieso du glaubst…«
»So wie er geht. Und er fing die Orange nicht auf«, sagte Mumm.
»Mhm. Mhm.«
Obergefreiter Besuch reinigte den alten Taubenschlag, als die
Nachricht eintraf.
Inzwischen verbrachte er immer mehr Zeit bei den Tauben. Es
war kein sehr beliebter Job, und deshalb versuchte niemand, sei-
nen Platz einzunehmen. Wenigstens hörte man das Geschrei und
die knal enden Türen hier nur gedämpft.
Die Sitzstangen funkelten.
Obergefreiter Besuch fand Gefal en an seiner derzeitigen Tätig-
keit. Er hatte nicht viele Freunde in der Stadt. Er hatte auch nicht viele Freunde in der Wache. Aber wenigstens gab es Leute, mit
denen er reden konnte, und außerdem kam er mit dem religiösen
Unterricht bei den Tauben gut voran.
Doch jetzt dies…
Die Nachricht war für Hauptmann Karotte bestimmt. Was ver-
mutlich bedeutete, dass sie an Hauptmann Colon weitergeleitet
werden sol te, und zwar persönlich, denn Hauptmann Colon glaubte, dass jemand die für ihn bestimmte Rohrpost kontrollierte.
Bisher hatte sich Obergefreiter Besuch recht sicher gefühlt. Om-
nianer neigten von Natur aus dazu, Befehle nicht in Frage zu stel-
len. Das galt auch für jene, die überhaupt keinen Sinn ergaben.
Besuch respektierte Autorität instinktiv, ganz gleich, wie verrückt
sie sein mochte – das verdankte er einer guten Erziehung. Darüber
hinaus stand ihm genug Zeit zur Verfügung, seinen Brustharnisch
zu putzen. Aus irgendeinem Grund waren glänzende Brustharni-
sche in der Wache sehr wichtig geworden.
Doch um Colons Büro aufzusuchen, brauchte er so viel Mut wie
der legendäre Bischof Horn, als er die Stadt der Ooliten betrat,
und alle wussten, was die mit Fremden anstellten.
Besuch verließ den Taubenschlag, ging zum Hauptgebäude und
achtete darauf, zackig zu gehen.
Die Wache war mehr oder weniger leer. Seit einiger Zeit schien
es nicht mehr so viele Wächter zu geben wie früher. Normalerwei-
se blieben die Leute bei diesem kühlen Wetter lieber drinnen, doch
niemand setzte sich gern Hauptmann Colons Zorn aus.
Besuch ging die Treppe zum Büro hinauf und klopfte an die Tür.
Nach einer Weile klopfte er erneut.
Als alles still blieb, öffnete er die Tür, trat leise zum glänzenden, leeren Schreibtisch und machte Anstalten, die Nachricht unter das
kleine Tintenfass zu schieben, damit sie nicht weggeweht werden
konnte…
»Aha!«
Obergefreiter Besuchs Hand zuckte, und Tinte spritzte. Ein
schwarzer Schauer flog dicht an seinen Augen vorbei und traf mit
lautem Platschen etwas hinter ihm.
Steif drehte er sich um und sah Hauptmann Colon, dessen Ge-
sicht ohne die Tinte vermutlich kalkweiß gewesen wäre.
»Ich verstehe «, sagte Colon. »Angriff auf einen vorgesetzten Offizier, wie?«
»Es war ein Unfall, Hauptmann!«
»Ach, tatsächlich? Und warum hast du dich in mein Büro ge-
schlichen, wenn ich fragen darf?«
»Ich habe nicht gewusst, dass du hier bist, Hauptmann!«, brab-
belte Besuch.
»Aha!«
»Wie bitte?«
»Wolltest wohl einen Blick in meine privaten Dokumente wer-
fen.«
»Nein, Hauptmann!« Besuch erholte sich ein wenig. »Warum hast
du hinter der Tür gestanden, Hauptmann?«
»Ach? Glaubst du vielleicht, ich dürfte nicht hinter der Tür mei-
nes eigenen Büros stehen?«
An dieser Stelle unterlief dem Obergefreiten Besuch der nächste
Fehler: Er versuchte zu lächeln.
»Nun, es ist ein wenig seltsam, Herr…«
»Willst du damit sagen, irgendetwas an mir sei seltsam ?«, fragte Hauptmann Colon. »Entdeckst du gar etwas an mir, das du komisch
findest?«
Besuch blickte in das tintenverschmierte Gesicht. »Nein, nichts,
Herr.«
»Du hast annehmbare Arbeit geleistet, Obergefreiter«, sagte Co-
lon und stand ein wenig zu dicht vor Besuch. »Deshalb will ich
nicht zu streng mit dir sein. Niemand sol behaupten können, ich
sei unfair. Hiermit degradiere ich dich zum Unterobergefreiten,
verstanden? Dein Sold wird rückwirkend vom Beginn des Monats
an entsprechend gekürzt.«
Besuch salutierte – das war vermutlich die einzige Möglichkeit,
dies lebend zu überstehen. Ein Lid des Hauptmanns zuckte.
»Nun, ich wäre eventuell bereit, diesen Zwischenfal einfach zu
vergessen und dir deinen alten Rang zurückzugeben«, fuhr Colon
fort. »Vorausgesetzt, du verrätst mir, wer die Zuckerstücke gestoh-
len – ich sagte gestohlen – hat.«
»Herr?«
»Ich weiß, dass es gestern Abend dreiundvierzig waren. Ich habe sie
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