Der Fünfte Elefant
Unterschied war, dass die Leute über Nachrichten heute an-
ders dachten als damals. Einst wäre so ein Kommunikationssystem
benutzt worden, um über Truppenbewegungen und den Tod von
Königen zu berichten. Sicher, über solche Dinge wol te man Be-
scheid wissen, aber nicht jeden Tag. Dafür gab es andere Dinge,
die man jeden Tag in Erfahrung bringen wollte: Welchen Preis kann man heute in Ankh-Morpork für Vieh erzielen? Wenn er zu niedrig war, konnte es besser sein, die Tiere nach Quirm zu treiben. Tägliche
Bedeutung hatten kleine Dinge wie Hat mein Schif den Bestimmungsort sicher erreicht? Deshalb scheute die Gilde keine Mühen, eine Nachrichtenverbindung über die Berge voranzutreiben, bis zum
viertausend Meilen entfernten Gennua. Ein Schiff brauchte viele
Monate, um Kap Schrecken zu umfahren. Wie viel würde ein
Händler zahlen, um innerhalb eines Tages von der Ankunft zu
erfahren und Antwort auf die Fragen zu erhalten, wie viel die
Fracht wert war, ob sie sich ohne weiteres verkaufen ließ und wel-
che Waren besonders gefragt waren.
O ja, die Gilde scheffelte Geld.
Und wie jeder neue Fimmel in der großen Stadt hatte sich die
Sache einem Fieber gleich ausgebreitet. Jeder, der einen Turm bau-
en, ein paar Wasserspeier zusammenbringen und gebrauchte
Windmühlenteile auftreiben konnte, schien in das Geschäft
einsteigen zu wollen. Wenn man heutzutage ein Restaurant be-
suchte, konnte man immer wieder beobachten, wie jemand auf-
stand, nach draußen ging und zum nächsten Nachrichtenturm sah,
um festzustel en, ob eine Mitteilung für ihn eingetroffen war. An-
dere Leute wählten den Weg der direkten Kommunikation und
schickten Freunden auf der anderen Seite eines überfül ten Saals
Nachrichten, was bei in der Nähe stehenden Personen zu Quet-
schungen führte…
Mumm schüttelte den Kopf. Das waren Nachrichten ohne In-
halt: Telepathie ohne Gehirn.
Doch die vergangene Woche hatte ein gutes Beispiel für die Vor-
teile der neuen Technik geboten. Als Weiß-nicht Jack das Silber in
Sto Lat klaute und dann fortritt, um in den Schatten von Ankh-
Morpork unterzutauchen. Der in Ankh-Morpork ausgebildete
Feldwebel Rand von der Wache in Sto Lat hatte sofort eine se-
maphorische Nachricht geschickt, die Mumm eine gute Stunde
bevor Weiß-nicht Jack eintraf, erreichte. Dadurch wurde es mög-
lich, dass ihn Feldwebel Detritus am Stadttor in Empfang nahm.
Rechtlich gesehen war die Sache nicht ganz klar, da Jack das
Verbrechen nicht in Ankh-Morpork verübt hatte und bei der
Nachrichtenübermittlung wohl kaum von einer »Verfolgungsjagd«
die Rede sein konnte. Doch freundlicherweise löste Weiß-nicht
Jack dieses Problem, indem er versuchte, dem Trol einen Faust-
hieb zu verpassen. Das Resultat war die Verhaftung wegen ver-
suchter Körperverletzung und eine gebrochene Hand…
Lady Sybil schnarchte leise. Eine Ehe besteht immer aus zwei
Personen, die beide schwören würden, dass nur der andere
schnarcht.
Inigo Schaumlöffel hockte in einer Ecke und las ein Buch.
Mumm beobachtete ihn gelegentlich.
»Ich schnappe oben ein wenig frische Luft«, sagte er schließlich
und öffnete die Tür. Das Klappern der Räder fül te die kleine, hei-
ße Kabine, und Staub wehte herein.
»Euer Gnaden…«, begann Inigo und erhob sich.
Mumm, der draußen bereits emporkletterte, sah noch einmal ins
Innere der Kutsche. »Mit einer solchen Einstel ung gewinnst du
keine Freunde«, sagte er und trat die Tür zu.
Grinsi und Detritus hatten es sich auf dem Dach gemütlich ge-
macht. Dort war es weitaus weniger stickig, und sie hatten einen
Ausblick, fal s man Gemüse für ein interessantes Panorama hielt.
Mumm nahm zwischen zwei Bündeln Platz und beugte sich zu
Grinsi vor.
»Du kennst dich doch mit den Nachrichten aus, nicht wahr?«,
fragte er.
»Nun, ein bisschen…«
»Gut.« Mumm reichte ihr einen Zettel. »Bestimmt gibt es einen
Nachrichtenturm in der Nähe des Ortes, wo wir heute Abend an-
halten. Verschlüssel dies und schick es der Wache. Es müsste in-
nerhalb einer Stunde klar sein, wenn man die richtigen Leute fragt.
Sie sol en es bei der Waschechten Topsy versuchen; sie kümmert
sich dort um die Wäsche. Oder bei Gilbert Gilbert – er scheint
immer genau zu wissen, was vor sich geht.«
Grinsi las die Mitteilung und richtete dann einen erstaunten Blick
auf Mumm.
»Bist du sicher, Herr?«, fragte sie.
»Vielleicht. Vergiss nicht, die Beschreibung zu schicken. Namen
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