Der Fürst der Dunkelheit
ging er jetzt wenigstens auf sie ein, dachte Sean.
“Selbstverständlich. Schicken Sie mir einfach einen Polizeizeichner wegen des Phantombilds.”
“Geben Sie uns bitte erst mal eine allgemeine Beschreibung. Für den Anfang”, sagte Jerry.
An diesem Punkt zögerte Sonia. Dann seufzte sie. “Ich glaube, er war groß und dunkelhaarig. Das ist alles, was ich sagen kann.”
Der Hotelportier unterbrach ihr Gespräch mit der Mitteilung, die Bewohnerin des Zimmers sei zwar vorhin in Begleitung eines Mannes zurückgekommen. Der sei allerdings nicht dunkelhaarig gewesen. Er sei jung gewesen, vielleicht College-Alter, und habe ausgesehen wie der klassische amerikanische Football-Held.
Sean überließ die Sache Jerry und seinen Leuten. Dann klapperte er die Straßen ab, obwohl er befürchtete, dass es bereits zu spät war. Trotzdem, es zahlte sich nie aus, gleich aufzugeben.
Eine halbe Stunde später entdeckte er einen großen Mann mit breiten Schultern und sandfarbenem Haar, der einsam in einer fast leeren Bar saß. Ein Hinweisschild verkündete stolz, dass diese Bar niemals zumachte und sogar während des Hurrikans Katrina immer geöffnet gewesen war.
Sean setzte sich neben den Mann, der sich mit den Fingern durchs Haar fuhr und in sein unberührtes Bierglas starrte.
“Miese Nacht?”, fragte Sean.
Der Bursche zuckte zusammen und starrte Sean mit Angst in den Augen an. “Äh, ja. Miese Nacht.” Er griff nach dem Bier und leerte fast das ganze Glas mit einem einzigen Zug.
“Ich bin Polizist”, sagte Sean. “Was ist passiert?”
“Ich hab nichts angestellt, das schwöre ich. Ich habe ein Sportstipendium.”
“Quarterback?”
“Fullback.”
“Und Sie sind gut?”, fragte Sean.
“Darauf können Sie Gift nehmen”, sagte er stolz und schien sich etwas zu entspannen.
“Möchten Sie mir erzählen, was heute Nacht passiert ist?”
“Das würden Sie mir doch nicht glauben.”
“Nun erzählen Sie schon.”
“Darf ein Polizist einem Kerl ein Bier ausgeben?”
Sean winkte dem Barkeeper zu, der ein neues Bier vor den blonden Mann hinstellte. “Das ist das letzte”, sagte er und kniff die Augen zusammen. “Vielleicht werde ich nie wieder Alkohol trinken. Und was noch schlimmer ist, ich werde wahrscheinlich für den Rest meines Lebens Angst davor haben, mit jemandem ins Bett zu gehen.”
“Erzählen Sie mir davon.”
“Sie sah toll aus. Wir haben uns in einer Bar kennengelernt. Haben geredet, was getrunken. Dann haben wir getanzt und noch was getrunken. Sie hat mir erzählt, sie hätte irgendwo ein Zimmer. Und dort wollte sie mir plötzlich die Kehle durchbeißen.”
“Und dann?”
“Irgendein Typ platzte herein, und die beiden begannen, miteinander zu kämpfen – und ich bin wie der Blitz abgehauen. Sie war total verrückt. Hatte sich die Zähne spitz gefeilt oder so. Und sie muss auf Anabolika gewesen sein, denn sie war stärker als jeder Kerl, dem ich je begegnet bin. Stärker als ein ganzes Footballteam.”
“Was ist mit dem Kerl, der in das Zimmer geplatzt ist? Was ist mit ihm passiert?”
“Weiß ich nicht. Wie ich sagte, ich bin sofort abgehauen. Ich schwöre, das ist die Wahrheit. Bitte, mehr weiß ich nicht. Ich bin noch nie im Leben so schnell gerannt. Bitte, verhaften Sie mich nicht. Ich habe nichts Illegales getan.”
“Ich werde Sie nicht verhaften”, beruhigte Sean.
Der Junge senkte den Kopf. “Nach diesem Bier werde ich nie wieder etwas trinken, und ich werde auch nie wieder ein fremdes Mädchen abschleppen. Ganz egal wie gut sie aussieht.”
Sean legte ihm eine Hand auf die Schulter. “Wenn ich Sie wäre, würde ich Ihren Kumpels im Team lieber nichts davon erzählen.”
Der junge Mann sah ihn mit purem Entsetzen an. “Du lieber Himmel, im Leben nicht!”
“Gut. Hier ist meine Karte. Wenn Sie irgendwelchen Ärger haben, rufen Sie mich an.”
“Vielen Dank.” Der Junge streckte seine Hand aus. “Ich bin Nate Herman. Und, nochmals danke. Ich hab keine Ahnung, wer dieser Kerl gewesen ist, aber er hat mir das Leben gerettet. Ich sage Ihnen, die hatte
Reißzähne
. Und damit wollte sie mir die Kehle rausreißen.”
“Trinken Sie Ihr Bier aus, dann bringe ich Sie in Ihr Studentenwohnheim.”
Als sie die Bar verließen, ging gerade die Sonne auf.
Sean war erleichtert, blieb aber auf der Hut.
Sonnenschein war keine Garantie dafür, dass die Welt jetzt sicher war. Das wusste er nur zu gut.
Lauren hätte es nicht für möglich gehalten, aber sie konnte
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