Der Fürst der Dunkelheit
könnten. Keine Fingerabdrücke, auch sonst nichts. Das Wasser verwischt alle Spuren, die an den Leichen vielleicht noch zu finden gewesen wären. Sie haben einen Profiler hinzugezogen, und der glaubt, wir würden nach einem Mann Mitte zwanzig, vielleicht Anfang dreißig suchen, der sich gesellschaftlich unzulänglich fühlt und am Tage irgendeiner untergeordneten Arbeit nachgeht. Er könnte verheiratet sein oder auch nicht. Alle sind verblüfft über seine Fähigkeit, die Opfer zu köpfen und die Köpfe verschwinden zu lassen, obwohl sie wahrscheinlich auch im Mississippi sind – vermutlich tauchen sie nie wieder auf. Alle stimmen darin überein, dass es wirklich ein Durchbruch wäre, wenn wir den eigentlichen Tatort finden würden. Sie suchen nach einem stillgelegten Schlachthaus oder so etwas, da die Opfer praktisch ausgeblutet waren.”
“Haben Sie irgendwelche Vorschläge gemacht?”
“Sicher. Ich schlug vor, dass wir es mit einem Vampir zu tun hätten.”
Mark hob die Brauen. “Und Sie haben Ihren Job immer noch?”
Sean lächelte kläglich. “Ich weiß seit vielen Jahren, dass das, womit wir es hier in New Orleans zu tun haben, nicht immer den üblichen Erwartungen entspricht. Wir müssen wahnsinnig gewordene Menschen von wahnsinnig gewordenen
Nicht
menschen unterscheiden. Da hier schon alle möglichen Kulte aktiv waren, hören sich die Leute manchmal an, was ich zu sagen habe. Ich habe ihnen gesagt, dass ich persönlich davon überzeugt bin, dass wir es mit einem Kult zu tun haben, aber sie sollten sich so verhalten, als ob sie gegen echte Vampire vorgehen, weil diese Menschen sich dafür halten.”
“Ein guter Einfall”, sagte Mark. “Was ist mit Ihren eigenen Männern?”
Sean zuckte mit einem Lächeln die Achseln. “Die Nichtgläubigen halten mich schon lange für ein bisschen verrückt. Nein, sie glauben, ich könnte selbst denken wie ein geistesgestörter Serienmörder. Aber sie müssen zugeben, dass wir mit meiner Art zu denken schon so manchen Fall zu einem zufriedenstellenden Abschluss gebracht haben. Also, jene Männer, die ich für den Wachdienst bei Deanna im Krankenhaus eingeteilt habe, hatten schon ähnliche Aufgaben. Sie glauben mir.”
“Was halten Sie von Jonas?”
“Wie ich schon sagte, es scheint, als stünde er auf der richtigen Seite. Aber persönlich kenne ich ihn nicht.”
“Ich auch nicht.”
“Ehrlich gesagt,
Sie
kenne ich ebenfalls nicht”, sagte Sean.
Beinahe hätte Mark gesagt:
Aber Ihre Frau kennt mich
, doch er hielt sich zurück. In Wirklichkeit hatte sie nur von ihm gehört, und das war viele Jahre her.
“Stephan hat irgendwo einen Rückzugsort. Das Problem ist, ich glaube nicht, dass der in Ihrem Zuständigkeitsbereich liegt. Es muss irgendwo außerhalb des French Quarters sein, vielleicht sogar außerhalb der Stadt und des Bezirks. Ich überlege, ob ich mir mal die Gegend um die Plantation Row anschauen soll, auch den Teil, der hinter Ihrem Haus liegt. Ich bin schon mal kurz vorbeigefahren, aber keine der Plantagen sieht unbewohnt aus – oder so als ob dort eine Sekte ein- und ausginge.”
“Vielleicht sieht sein Versteck ja auch gar nicht unbewohnt aus”, schlug Sean vor. “Vielleicht hat Stephan ein paar Verbindungen geknüpft, bevor er hierherkam. Vielleicht sähe dieses alte Plantagenhaus bei Tag wie jedes andere Haus aus.”
“Dann sollen Ihre Jungs mal gewissenhaft Augen und Ohren aufsperren.”
Sean sah ihn nur an.
“Das machen sie schon, was?”, sagte Mark.
“Sicher.”
“Ich melde mich wieder.” Mark erhob sich.
“Übrigens, wir haben die Mädchen identifiziert. Sie haben alle schon Einträge wegen Prostitution in ihren Akten. Eine kommt aus Baton Rouge, eine aus Lafayette und eine aus Poughkeepsie.”
“Poughkeepsie?”
“Im Staat New York. Vielleicht wollte sie sich hier niederlassen. Jedenfalls hatte sie hier keine bekannte Adresse.” Sean holte tief Luft. “Meine Männer behalten die Bars und Stripclubs im Auge. Aber ich glaube nicht, dass wir Stephan auf diese Art finden können. Der ist raffinierter. Ich glaube, wenn er die Morde selbst begeht, lässt er sich die Frauen zuführen.”
Mark nickte. “Das klingt logisch. Als ich ankam, habe ich einen seiner Männer in einer Bar gesehen. Als er eine Frau abschleppte und zu einem Friedhof brachte, bin ich ihm gefolgt und habe ihn getötet.”
“Er hat wohl eine aufgetrieben, die die Vorstellung aufregend fand, es auf einem Friedhof zu treiben.”
“Selbst junge
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