Der Fürst der Skorpione
die Hände um die Stäbe gekrallt. Ihre Uniformen waren schmutzig und zerrissen. In ihrer Zelle gab es keine Betten, keinen Tisch, keinen Stuhl, nur ein wenig Stroh auf dem Boden und drei Eimer. Der Gestank war überwältigend. Die Insassen glotzten Tabea an. Sie hielt sich so weit wie möglich vom Gitter entfernt, um nicht in ihre Reichweite zu gelangen.
Einer von ihnen sagte: »Eine Frau. Sie haben uns endlich eine Frau geschickt.«
Tabea wäre am liebsten mit der Wand verschmolzen. »Halt die Schnauze, Franz«, sagte ein anderer. Franz zuckte zusammen, dann ließ er das Gitter los und verzog sich in die hinterste Ecke der Zelle. Er setzte sich auf seinen Eimer und drehte sich zur Wand.
»Ich bin Kolja, das ist Jason«, sagte der Mann, der Franz zurechtgewiesen hatte. Er zeigte mit dem Daumen auf die Jammergestalt, die neben ihm stand. »Und wie heißt du?«
»Ich bin…«, fing sie an, hielt jedoch sofort inne. Diese Kerle brauchten ihren Namen nicht zu kennen. »Das ist nicht wichtig. Ich sag euch eins«, ihr Herz schlug bis zum Hals, »wenn ihr Mist baut, hole ich die Wachen. Klar?« Dann wandte sie sich ab und ging in ihre Zelle.
»Starker Spruch!«, rief Kolja ihr hinterher und lachte. Es klang hässlich. Wenigstens hatte sie eine Tür an ihrer Zelle, wenigstens hatte sie ein kleines Licht. Es ging ihr besser als den ehemaligen EF-Soldaten. Aber eine Gefangene war sie auch. Im Gefängnis gab es feste Rituale: Zuerst musste der Gefangene seinen Eimer und sein Essgeschirr in eine Schleuse stellen, die von innen zu schließen war. Dann zog sie beides nacheinander zu sich her, mit einem langen Stab, an dessen Ende ein Haken befestigt war. Sie musste vorsichtig ziehen, weil sonst der Eimer umkippte und die Fäkalien über den Boden verteilte. Dann musste sie alles die Treppe hinauftragen, mit dem Ellenbogen klopfte sie an die Eisentür. Während die eine Wache die Tür öffnete, zielte die andere mit ihrer Mitrailleuse auf Tabeas Kopf. Die Fäkalieneimer brachte sie zu den Konvertern. Eimer und Essgeschirre wusch sie notdürftig, mit so wenig Wasser wie nur irgend möglich. Dann holte sie sich ihr eigenes Essen. Eine halbe Stunde durfte sie bei den anderen sitzen. Nina steckte ihr an der Ausgabe immer etwas zu, das sie in den Zellentrakt hineinschmuggeln konnte, um abends auch noch was zum Kauen zu haben.
Das Essen der Gefangenen war eigentlich Schweinefraß, den man genauso gut gleich in die Konverter hätte werfen können. Es ging auf dem gleichen Weg in die Zelle der Gefangenen hinein, auf dem die Fäkalien herauskamen. Alles sehr mühsam. Ansonsten war die Langeweile das Schlimmste. Sie hatte nichts zu lesen. Selbst wenn man ihr Träume erlaubt hätte, hätte sie nichts damit anfangen können, denn ihre Neuroports waren kaputt. Ihre einzige Gesellschaft waren die Gefangenen, und mit denen wollte sie so wenig wie möglich zu tun haben, obwohl Kolja manchmal ein Gespräch mit ihr anzuknüpfen versuchte. Zweimal fiel ihr ein Scheiße-Eimer um, als sie ihn mit dem Stock aus der Zellenschleuse zog. Sie musste Lappen und Wasser organisieren und eine von den Wachen bitten, die Gefangenen in Schach zu halten, während sie den Boden säuberte.
Manchmal stand Franz am Gitter und brabbelte unverständliches Zeug. Einmal schrie er so lange: »Die kommen uns holen!«, bis die anderen beiden ihn zusammenschlugen. Tabea hämmerte an die Eisentür. Einer der Wachmänner kam und schockte die Gefangenen durch die Gitterstäbe hindurch zusammen; als sie zuckend am Boden lagen, ging er sofort wieder nach oben. Tabea würgte es, als die Eisentür wieder ins Schloss fiel. Einmal fragte sie, ob sie duschen dürfe, und wurde ausgelacht. Sie kam ernsthaft auf die Idee, sich für einen Kampfeinsatz zu melden, nur um dieses Dreckloch verlassen zu können. Nach drei Tagen war sie reif für die Anstalt. Dann kam zum Glück Etienne.
Sie setzten sich an den Tisch in Tabeas Zelle. Etienne hatte ein blaues Auge.
»Was haben sie denn mit dir gemacht?«, fragte sie. »Das Gleiche könnte ich dich fragen.«
»Lenk nicht ab.«
»Kleiner Streit unter Kollegen. Erinnerst du dich an Maud? Der Typ, der mir neulich verbieten wollte, mit dir zu reden? Wir können uns immer noch nicht leiden.«
»Na fabelhaft. Hoffentlich hast du wenigstens gewonnen.«
»Wie man’s nimmt. Gab keinen klaren Sieger.« Etienne grinste. Zusammen mit seinem blauen Auge sah das ziemlich komisch aus. Aber Tabea war nicht nach Lachen zumute.
»Meinst du, ich kann
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