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Der Fürst der Skorpione

Der Fürst der Skorpione

Titel: Der Fürst der Skorpione Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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sie ihren Weg fort. Der brummende schwarze Punkt entpuppte sich als Motorgleiter, sie konnte deutlich die Tragflächen und sogar den Piloten sehen, während das winzige Flugzeug über der Karawane seine Kreise zog. Sie verstand, warum sich niemand Sorgen machte: so ein Fliegenschiss kam nicht von der EF, das war schon mal klar. Plötzlich klatschte etwas schmerzhaft auf ihre rechte Schulter. »Nicht nach oben sehen!«
    Der Typ, der hinter ihr auf dem Kamel saß, hatte sie geschlagen! Wahrscheinlich mit demselben Stecken, mit dem er das Kamel antrieb! »Aber…«, protestierte sie schwach. »Schnauze!«, fuhr er sie an. Na fabelhaft!, dachte sie, und massierte sich die schmerzende Schulter. Noch so einer von der ganz umgänglichen Sorte. Sein Name fiel ihr wieder ein. Jamal hieß er.
    Kurze Zeit später kamen dann die Trikes, dreirädrige Vehikel mit dicken, wüstengeeigneten Reifen. Es waren sechs oder sieben, jeweils mit zwei Mann Besatzung, einer fuhr, der zweite saß auf dem Rücksitz. Die Typen hatten veraltete Schnellfeuergewehre dabei, wie Tabea sie schon bei den Schmugglern in El Dschaem gesehen hatte. Sie hielten lässig Schritt mit der Karawane und musterten dabei genau Kamele, Ladung und Reiter. Ab und zu kamen sie bis auf wenige Meter heran. Als Jamal von hinten flüsterte: »Banditen«, war Tabea auch schon aufgegangen, mit wem sie es hier zu tun hatten. Nachdem die Trikes vielleicht eine Viertelstunde neben der Karawane hergefahren waren, entschlossen sich die Kerle offenbar zum Handeln. Sie sammelten sich an der Spitze der Karawane, fuhren dann einige Meter voraus und stellten sich plötzlich quer. Die Schützen knieten sich in einem Halbkreis hin und legten ihre Gewehre an. So wie sie positioniert waren, konnten sie alle Teile des Zuges unter Feuer nehmen. Auch der Motorgleiter war wieder aufgetaucht, der Pilot zog enge Kreise über der Szenerie. Die Karawane hielt mühsam an; nur weil sie nicht so lang war, kam sie rechtzeitig zum Stehen. Tabea verstand nicht viel von den Verhandlungen zwischen Karawanenführer und Banditenchef, sie sprachen arabisch und waren ohnehin zu weit weg. Aber der Inhalt der Diskussion wurde von Reiter zu Reiter weitergegeben, und schließlich flüsterte ihr Jamal zu: »Sie wollen die Ladung. Und dich auch.«
    »Was?«, flüsterte sie zurück. An der Spitze des Zuges wurde weiter palavert. »Steig ab«, befahl Jamal. »Geh zu den Banditen.« Als sie zögerte, stieß er sie in den Rücken. Tabea rutschte ab und fiel in den Sand.
    »Los!«, sagte Jamal. »Wir haben nicht ewig Zeit!« Tabea taumelte vorwärts. Von einigen Kamelen wurden schon Säcke abgeladen. Ich hasse euch alle, dachte sie. Als sie vielleicht noch zehn Meter von den Banditen entfernt war, gab es einen Knall am Himmel. Tabea und die Banditen spähten nach oben. Der Motorgleiter stürzte ab, eine Rauchfahne hinter sich herziehend. Noch bevor er auf dem Boden aufschlug, brach um sie her das Chaos aus. Schreie, Befehle, Schüsse. Instinktiv ließ Tabea sich auf den Boden fallen. Mitrailleusen pfiffen, Maschinengewehre knatterten. Etwas Schweres fiel neben ihr zu Boden und rollte in ihre Nähe. Dann brüllten nur noch die Kamele heiser in die Stille. Tabea hatte Sand im Mund. Sie drehte den Kopf und blickte in die Augen eines Mannes, der direkt neben ihr lag, heftig aus dem Mund blutete und dabei Worte zu formen versuchte. Er schien um Hilfe zu bitten. Entsetzt sprang sie auf und entdeckte, dass sein Körper völlig von Geschossen zerfetzt war, er hatte so viel Blut verloren, ihr Umhang war damit getränkt. Übelkeit stieg in ihr auf, sie wandte sich ab. Keiner der Banditen stand noch, die Toten waren im Umkreis verstreut, ihre Fahrzeuge sahen aus, als seien sie in eine Schrottpresse geraten. Tabea wankte ein paar Schritte zurück, dann wurde ihr schwindelig, sie musste sich hinknien. Jemand brachte ihr einen Wasserschlauch. Sie lehnte ab. Sie blieb auf den Knien, bis sie gepackt und weggeschleift wurde. Ihre Gegenwehr war zu schwach, um irgendetwas auszurichten. Schließlich wurde sie wie ein Sack zu Jamal auf das Kamel geworfen, und die Karawane setzte sich wieder in Bewegung. Sie schloss fest die Augen, damit sie die Gesichter der Toten nicht mehr sehen musste.
    Später, als sie wieder im Sattel saß, sagte Jamal: »Wärst du lieber bei denen geblieben?«
    Tabea hätte sich eher erschießen lassen, als darauf eine Antwort zu geben. Jamal verstand und lachte.
    Umm al Biijara, »Die Mutter der Zisternen«, hieß

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