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Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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das für möglich? Der Kosmos – ein einziges Brandopfer von Mist? Aber Herr Professor!«
    »Es handelt sich nicht um meinen Glauben oder Unglauben, Tichy. Wir haben ganz einfach mit Hilfe der linguistisch orientierten Futurologie eine neue Spielart der Kosmogonie geschaffen, eine reine Möglichkeit für spätere Geschlechter. Wir wissen nicht, ob das irgendwer ernst nehmen wird; Tatsache bleibt, daß sich eine solche Hypothese artikulieren läßt. Bedenken Sie: wenn in den zwanziger Jahren linguistisch extrapoliert worden wäre, dann hätten sich schon damals aufgrund der Bomben die Bemben vorhersagen lassen. Die sind Ihnen wohl erinnerlich, Tichy! Die Sprache selbst birgt ungeheure und doch nicht grenzenlose Möglichkeiten. Modernität – wenn Sie das mit dem Zeitwort ›modern, moderte, gemodert‹ zusammenstellen, dann verstehen Sie wohl die Schwarzseherei vieler Futurologen!« Wir kamen bald auf Dinge zu sprechen, die mich stärker bewegten. Ich gestand dem Professor alle meine Ängste und auch meinen Widerwillen gegen die neue Zivilisation. Trottelreiner rümpfte die Nase, aber er hörte mich weiter an und begann mich zu bemitleiden, der gute Kerl. Ich sah, daß er sogar seine Barmherztropfen aus der Westentasche holen wollte; aber mitten in der Handbewegung hielt er inne, weil ich so sehr gegen die Psychemikalien gewettert hatte. Zuerst setzte er jedoch eine strenge Miene auf. »Tichy, um Sie steht es nicht gut. Ihre Kritik dringt gar nicht bis zum Kern der Sache. Den kennen Sie nicht. Und Sie vermuten ihn auch nicht. ›Procrustics‹ und die ganze übrige Psivilisation sind läppisch dagegen.« Ich traute meinen Ohren nicht. »Ja, aber … Herr Professor« – stotterte ich. »Was wollen Sie damit sagen? Was kann es Ärgeres geben?« Über den Tisch beugte er sich zu mir. »Tichy, ich tue das Ihnen zuliebe. Ich verletze das Berufsgeheimnis. Von allem, worüber Sie sich beklagt haben, weiß jedes Kind. Wie denn anders? Die Entwicklung mußte diese Richtung nehmen, seit auf Narkotika und Urhalluzinogene die stark selektiv wirkenden sogenannten Psychofokussierer gefolgt waren. Doch der eigentliche Umschwung fand erst vor fünfundzwanzig Jahren statt, als die Maskone synthetisiert wurden, das heißt, die Hapunkter, die punktuellen Halluzinogene. Narkotika trennen den Menschen nicht von der Welt; sie verändern nur sein Verhältnis zu ihr. Halluzinogene verwirren und verschleiern die ganze Welt. Sie, mein Bester, konnten sich davon ja selbst überzeugen. Die Maskone aber – die fälschen die Welt!«
    »Maskone … Maskone …« – sprach ich nach. »Das Wort kenne ich doch. Aha! Massenkonzentrationen unter der Mondkruste, solche Mineralverdichtungen? Was haben die damit zu tun?«
    »Nichts. Weil nämlich das Wort jetzt etwas anderes besagt. Will sagen, beschmackt. Es kommt von ›Maske‹. Bei Eintritt ins Gehirn vermögen entsprechend synthetisierte Maskone jedes beliebige Objekt der Außenwelt so geschickt durch Scheinbilder zu verhüllen, daß die chemaskierte Person nicht weiß, was an dem Wahrgenommenen echt und was vorgetäuscht ist. Freund, wenn Sie einen Blick auf die Welt würfen, die uns wirklich umgibt, nicht auf diese durch Chemaskierung geschminkte – Sie wären entgeistert!«
    »Moment mal! Was für eine Welt? Wo gibt es die? Wo ist sie zu sehen?«
    »Sogar hier!« – flüsterte er mir ins Ohr, nach allen Seiten ausspähend. Er setzte sich neben mich, reichte mir unter dem Tisch ein Glasfläschchen mit fest eingepaßtem Korken und hauchte geheimnistuerisch: »Das ist Antich, aus der Gruppe der Wachpulver, ein starkes Gegenmittel gegen Psychemie. Ein Nitrodazylderivat des Pejotropins. Nicht erst die Anwendung – das bloße Mittragen gilt als Kapitalverbrechen. Bitte unterm Tisch entkorken und einmal durch die Nase einatmen. Aber nur einmal! So, als schnupperten Sie an Ammoniak. Na, so wie Riechsalze. Dann aber … Um Himmels willen, beherrsch dich, halt an dich, denk daran!« Mit bebenden Händen entkorkte ich das Fläschchen. Der Professor nahm es mir weg, als ich kaum den stechenden Mandeldunst eingesogen hatte. In die Augen schossen mir reichliche Tränen. Als ich sie mit der Fingerspitze weggestreift und die Lider abgewischt hatte, da verschlug es mir den Atem: der herrliche Saal mit Majolika-Wänden, Teppichen, Palmen, prunkvoll schimmernden Tischen und einem im Hintergrund postierten Kammerorchester, das uns zum Bratengang aufgespielt hatte – das alles war verschwunden. Wir saßen an

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