Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Bitte, nennen Sie mir irgendein Wort.«
    »Ich.«
    »Ich, ja? Hm. Ich. Gut. Sie verstehen, ich muß jetzt gleichsam die Stelle des Computers vertreten, das wird also sehr simpel ausfallen. Nun denn – ich. Ichsicht. Dich. Dichsicht. Uns. Unsricht. Sehen Sie?«
    »Gar nichts sehe ich.«
    »Wie das? Es handelt sich um das Verschmelzen von Ichsicht und Dichsicht, das heißt, um den Verbund zweier Exemplare von Bewußtsein. Dies fürs erste. Zweitens – Unsricht. Sehr interessant. Das ist kollektives Bewußtsein. Na, zum Beispiel bei starker Persönlichkeitsspaltung. Bitte ein anderes Wort.«
    »Bein.«
    »Gut. Was geht mit dem Bein? Beinler. Beinmal, allenfalls Beinmalbeins. Beinigel. Beinzelgänger. Beinzeln und sich beinigen. Beingängig. Verbeinert. Bein dich! Beinste? Beinerlei! Beingeist. Bitte sehr, da haben wir etwas Aussichtsreiches. Beingeist. Beingeisterei.«
    »Was heißt denn das alles? Diese Wörter haben doch gar keinen Sinn?«
    »Noch nicht. Aber sie werden einen haben. Das heißt, sie können unter Umständen Sinn gewinnen, sofern sich Beingeisterei und Beintum durchsetzen. Das Wort ›Roboter‹ hat im 15. Jahrhundert nichts bedeutet, aber wenn die Leute damals die linguistisch orientierte Futurologie gekannt hätten, dann hätten sie beim Roboten die Automaten vorhersehen können.«
    »Was heißt also Beingeist?«
    »Sehen Sie, just in diesem Fall kann ich das genau angeben, aber nur, weil das nichts Vorhergesagtes ist, sondern etwas bereits Vorhandenes. Beingeisterei ist die neueste Denkrichtung mit einem brandneuen Konzept menschlicher Selbstfortentwicklung – zum sogenannten Homo Sapiens Monopedes.«
    »Zum Beinbeinigen?«
    »Gewiß doch! Mit Rücksicht auf die Entbehrlichkeit des und auf den bevorstehenden Platzmangel.«
    »Das ist doch vertrottelt!«
    »Finde ich auch. Nichtsdestoweniger gehören zu den Beintümlern solche Leute wie Foeshbeene und Professor Hatzelklatzer. Das haben Sie nicht gewußt, Tichy, als Sie mir den Terminus ›Bein‹ angaben. Oder?«
    »Nein. Und was heißen die übrigen Wortbasteleien?«
    »Gerade dies ist einstweilen noch nicht bekannt. Wenn das Beintum siegt, dann entstehen alsbald Objekte namens Beinigel, Beinmal und so weiter. Wir suchen keine Wahrsagerei, sondern die Übersicht über den Bereich der reinen Möglichkeiten. Nennen Sie ein anderes Wort.«
    »Interferent.«
    »Schön. Inter und fero. Fero, ferre, tuli, latus. Latein. Also müssen wir eine lateinische Fortsetzung suchen. Interflorenz. Flos, floris. Bitte sehr! Ein Fräulein bekommt ein Kind von einem Interferenten, der sie entjungfert hat.«
    »Entjungfert? Wie kommen Sie darauf?«
    »Interflorenz. Flos, floris, die Blüte. Defloration. Man wird wohl ›Dingwöchnerin‹ sagen, oder ›Dingbetterin‹, oder kurz ›Bedingte‹. Ich versichere Ihnen, wir besitzen schon reichstes Material. Etwa die Prostituante, nach dem Muster der Konstituanten – die eröffnet ein ganzes Universum neuer Sittenverhältnisse!«
    »Sie schwärmen ja förmlich für diese neue Wissenschaft. Vielleicht versuchen Sie noch ein Wort? Mist.«
    »Warum nicht? Ihre Skepsis tut nichts zur Sache. Bitte sehr. Mist. Hm. Misthaufen. Stallmist. Viel Mist – Allmist. Allmist! Sehr interessant! Herr Tichy, Sie liefern prächtige Wörter! Allmist! Na, was sagen Sie jetzt?«
    »Was soll daran Besonderes sein? Das Wort besagt ja gar nichts.«
    »Erstens sagt man jetzt: beschmackt. ›Besagt‹ – das ist schon anachronistisch. Mir fällt auf, daß Sie ungern neue Wörter gebrauchen. Das ist nicht gut. Davon reden wir später. Na und zweitens: ›Allmist‹, das besagt jetzt noch nichts, aber der künftige Sinn läßt sich erahnen! Sehen Sie, es geht da um eine neue psychozoische Theorie. Nicht zu verachten! Eine, die behauptet, die Sterne seien künstlicher Herkunft.«
    »Woher denn diese Idee?«
    »Aus dem Wort ›Allmist‹. Es entwirft, das heißt, es suggeriert folgendes Bild: im Laufe von Äonen füllte sich der Kosmos mit Mist, mit Zivilisationsabfällen, womit nichts anzufangen war. Sie behinderten die astronomische Forschung und die Raumfahrt. Deshalb errichtete man riesige Feuerungsanlagen, nicht wahr, um diesen Müll zu verbrennen. Die müssen große Masse haben, so daß sie von selbst den Mist anziehen. Der leere Weltraum wird allmählich gereinigt. Und so, mein Herr, ergeben sich die Sterne, eben diese Feuerstellen, und die Dunkelwolken – nämlich der noch nicht beseitigte Mist.«
    »Wie? Sie meinen das ernst? Sie halten

Weitere Kostenlose Bücher