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Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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hat. Ich weiß auch, was es bedeutet, wenn sich in einer Gesellschaft der Gesprächspartner für einen Augenblick entschuldigt, sich würdevoll in eine Ecke zurückzieht und dort seine Prise nimmt, wobei er mich zugleich mit den Augen fixiert, um in die Hölle seiner tobenden Phantasien mein vollkommen genaues Bild hinabzuversenken. Und so verhalten sich Personen aus den höchsten Kreisen der Chemokratie! Ich aber merkte nichts von dieser Schmutzerei unter der Tünche erlesenster Höflichkeit!
    Zur Stärkung nahm ich einen Löffel Herkulin mit Zucker, und dann zerbrach ich alle Konfektschachteln, zerschlug die Ampullen, Döschen, Fläschchen, Kolben, Pillentiegel und Sauertöpfe, die mir Aileen geschenkt hat. Ich bin zum Ärgsten bereit. Zuweilen verspüre ich solche Tobsucht – ich lechze förmlich nach dem Besuch irgendeines dingfesten Interferenten; der hätte meine Wut auszubaden. Das nüchterne Denken legt mir nahe, daß ich mich genausogut selbst um die Sache kümmern könnte, anstatt mit dem Knüppel zu warten; ich könnte ja beispielsweise einen Aufbläsling kaufen. Aber wenn man schon einen Prügelknaben ersteht – warum nicht gleich ein Prügelmädchen? Und wenn schon ein Prügelmädchen, warum nicht einen Menschler? Und wenn schon einen Menschler, Donnerwetternochmal, warum kann ich dann nicht bei Hopkins, das heißt, bei »Procrustics«, ein gebührendes Strafgericht bestellen, so daß es Feuer, Pech und Schwefel herniederregnet auf diese entmenschte Welt? Nein, das kann ich eben nicht; das ist ja der springende Punkt. Ich muß alles aus eigenem. Alles, alles aus eigenem. Gräßlich.
    1. 10. 2039. Heute ist es zum Bruch gekommen. Auf der ausgestreckten Hand bot sie mir zwei Tablettchen dar, ein schwarzes und ein weißes; ich sollte entscheiden, welches sie unverzüglich einzunehmen hätte. Zu einer natürlichen Entscheidung ohne Psychemikalien ist sie also nicht fähig, nicht einmal in so grundsätzlichen Herzensangelegenheiten! Ich wollte nicht auswählen; es kam zum Streit, den sie sich mit Stankal verstärkte. Sie beschuldigte mich fälschlich, ich hätte vor dem Stelldichein Invektil gefressen (so lauten ihre eigenen Worte). Diese Augenblicke waren herzzerreißend für mich. Aber ich bin mir selbst treu geblieben. Ab heute werde ich nur daheim essen. Nur Speisen, die ich selbst zubereite. Nur keine Traumel, Paradisiaca, Luxeternin-Gelees! Ich habe alle Lüster zertrümmert. Ich brauche weder Protestal noch Pfuisalz. Durchs Fenster guckt in mein Zimmer ein großer Vogel mit traurigen Augen, ein sehr komischer Vogel, er hat nämlich Räder. Laut Auskunft des Computers heißt er P.D.Rastel.
    2. 10. 2039. Ich gehe kaum aus dem Haus. Ich verschlucke historische und mathematische Werke. Außerdem sehe ich das Dingen an. Doch auch dabei verspüre ich inneren Protest gegen alles, was mich umgibt. So ließ ich mich gestern verleiten und drehte an dem Knopf herum, der die Dingfestigkeit, also das spezifische Gewicht des Bildes, reguliert; ich verlieh allem größtmögliche Dichte und Masse. Unter der Last einiger Zettel mit dem Text der Abendnachrichten brach dem Sprecher der Tisch zusammen, er selbst aber rumpelte durch den Fußboden des Sendestudios. Versteht sich, daß diese Effekte nur bei mir auftraten und nichts nach sich zogen; sie bekundeten bloß meinen Seelenzustand. Das Dingen ärgert mich überdies durch Witzelei, Ulk, Satire, zeitgemäße Humorigkeit. »Kille-kille Pille mit Pille« – was für abgeschmackte Einfälle! Allein die Titel der Stücke! Zum Beispiel »Mit der Aufblase auf dem Erotoped! – ein Action-Drama«; es begann damit, daß in einem finsteren Bistro ein paar Druckse hockten. Das reichte mir; ich schaltete aus. Doch was half das? Von den Nachbarn tönte es aus einem anderen Kanal herüber (wo aber ist mein Kanal? Wo?), und ich vernahm den neuesten Schlager: »In ihren Taschen tragen die Mädchen Abfuhrtablettchen und Jasagtablettchen«. Kann ein Wohn selbst im 21. Jahrhundert nicht ordentlich gegen Lärm isoliert werden? Auch heute wollte ich mit dem Dingfestiger spielen; zuletzt brach ich ihn ab. Ich muß mich aufraffen und etwas beschließen. Was aber? Alles stört mich. Die erstbeste Kleinigkeit. Sogar die Post. Das Büro an der Ecke schreibt, ich solle um den Nobelpreis einreichen, und verspricht mir bevorzugte Abfertigung – als einem Ankömmling aus furchtbarer Vorzeit. Wirklich wahr! Jetzt platze ich bald! Ferner ein zwielichtiges Drucksächelchen; es bietet

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