Der Gang vor die Hunde (German Edition)
sie.
»Großartig. Sehr schön. Sei übrigens so nett und sage mir immer, wenn es etwas zum Bewundern gibt. Hast du etwa ein neues Kleid an? Kenne ich diese Ohrringe schon? Trugst du auch gestern den Scheitel in der Mitte? Was mir gefällt, merke ich nicht. Du mußt mich mit der Nase darauf stoßen.«
»Du hast nichts als Fehler«, rief sie. »Jeden einzelnen deiner Fehler könnte ich hassen, alle miteinander habe ich lieb.« Während des Essens erzählte sie, daß sie morgen ihren Posten antreten solle. Sie war heute einer Reihe von Kollegen, Dramaturgen, Produktionsleitern und Direktoren vorgestellt worden und beschrieb das merkwürdige, weitläufige Haus, in dem bis unters Dach wichtige Leute saßen, aus einer Konferenz in die andere stürzten und der Entwicklung des Tonfilms das Leben sauer machten. Fabian verschob die Mitteilung auf später.
Als sie mit dem Essen fertig waren, stellte sie einen Teller mit zwei belegten Broten beiseite und sagte lächelnd: »Die eiserne Ration.«
»Du bist rot geworden«, rief er.
Sie nickte. »Manchmal merkst du also doch, wenn es etwas zum Bewundern gibt.«
Er schlug einen kleinen Spaziergang vor. Sie zog sich an. Er überlegte inzwischen, wie er ihr die Kündigung beibringen wollte. Aber der Spaziergang kam nicht zustande. Als sie vor dem Haus standen, hustete jemand hinter ihnen, und ein fremder Mann wünschte guten Abend. Es war der Erfinder mit der Pelerine. »Die Beschreibung, die Sie mir von Ihrem Sofa gegeben haben, hat mir für heute den Spaß an sämtlichen Treppen und Dachböden verdorben«, erzählte er. »Ich habe um die Yorckstraße einen Bogen gemacht und bin hierhergekommen. Eigentlich mache ich mir Vorwürfe, daß ich Sie behellige, denn schließlich sind Sie selber arbeitslos.«
»Arbeitslos bist du?« fragte Cornelia. »Ist das wahr?«
Der alte Herr entschuldigte sich umständlich, er habe gedacht, die junge Dame wisse Bescheid.
»Heute morgen hat man mir gekündigt.« Fabian ließ Cornelias Arm los. »Zum Abschied bekam ich zweihundertsiebzig Mark in die Hand gedrückt. Wenn ich meine Miete vorausbezahlt habe, bleiben uns noch hundertneunzig Mark. Gestern hätte ich darüber gelacht.«
Als sie den alten Herrn aufs Sofa gepackt und ihm die Stehlampe danebengestellt hatten, denn er wollte an seiner geheimen Maschine herumrechnen, wünschten sie ihm gute Nacht und gingen in Cornelias Zimmer. Fabian kam noch einmal zurück und brachte dem Gast ein paar belegte Brote.
»Ich verspreche Ihnen, nicht zu husten«, flüsterte der Alte.
»Hier darf gehustet werden. Ihr Zimmernachbar geht noch ganz anderen Vergnügungen nach, ohne daß die Wirtin, eine gewisse Frau Hohlfeld, die es früher nicht nötig gehabt hat, deshalb aus dem Bett kippte. Nur wie wir’s morgen früh machen, weiß ich noch nicht. Die Wirtin findet ihre Möbel reizend, und daß ein Fremder die ganze Nacht auf ihrem Sofa biwakiert, würde sie ernstlich erzürnen. Schlafen Sie gut. Ich wecke Sie morgen früh. Bis dahin wird mir schon was Passendes einfallen.«
»Gute Nacht, junger Freund«, bemerkte der Alte und holte seine kostbaren Papiere aus der Tasche. »Empfehlen Sie mich dem Fräulein Braut.«
Cornelia schien so glücklich, daß Fabian sich wunderte. Eine Stunde später fraß sie bereits die eiserne Ration auf. »Ach, ist das Leben schön!« sagte sie. »Wie denkst du über die Treue?«
»Kau erst hinter, bevor du so große Worte aussprichst!« Er saß neben ihr, hielt seine Knie umschlungen und blickte auf das ausgestreckte Mädchen nieder. »Ich glaube, ich warte nur auf die Gelegenheit zur Treue, und dabei dachte ich bis gestern, ich wäre dafür verdorben.«
»Das ist ja eine Liebeserklärung«, sagte sie leise.
»Wenn du jetzt heulst, zieh ich dir die Hosen stramm!« drohte er.
Sie kugelte aus dem Bett, zog ihren kleinen rosafarbenen Schlüpfer an und stellte sich vor Fabian hin. Sie lächelte unter Tränen. »Ich heule«, murmelte sie. »Nun halte auch du dein Versprechen.« Dann bückte sie sich. Er zog sie aufs Bett. Sie sagte: »Mein Lieber, mein Lieber! Mach dir keine Sorgen.«
Zwölftes Kapitel Der Erfinder im Schrank – Nicht arbeiten ist eine Schande – Die Mutter gibt ein Gastspiel
Als er am nächsten Morgen den Erfinder wecken wollte, war der schon aufgestanden, gewaschen und angezogen, saß am Tisch und rechnete.
»Haben Sie gut geschlafen?«
Der alte Mann war vorzüglicher Laune und schüttelte ihm die Hand. »Das geborene Schlafsofa«, sagte er und
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