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Mark Tate - 012 - Nachts gruselt's sich leichter

Mark Tate - 012 - Nachts gruselt's sich leichter

Titel: Mark Tate - 012 - Nachts gruselt's sich leichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. A. Hary
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Nachts gruselt’s sich leichter
     
    von W. A. Hary
     
     
    Marietta Bickford betrachtete sich im Spiegel. Eine fast Achtzehnjährige schaute ihr entgegen – blasses Gesicht, große Augen, in denen ein seltsames Feuer glomm.
    Marietta Bickford war schlank, mit einer hübschen, voll entwickelten Figur, die durch das einfache, dünne Kleid nur noch betont wurde.
    Sie strich sich mit beiden Händen über Taille und Hüften. Es war eine mädchenhafte Geste.
    Die vollen, sinnlich geschwungenen Lippen waren feucht. Ihre feinen Nasenflügel blähten sich leicht. In einem heftigen Atemzug hob und senkte sich die Brust.
    Ein Teufel schien die Glut in ihren ausdrucksvollen Augen zu schüren.
    »Hörst du mich, Gebieter?« hauchte sie erschauernd.
    Lauschend legte sie den Kopf schief.
    Da war ein fernes Wispern. Kam es vom Wind, der draußen am geschlossenen Fensterladen vorbeistreifte?
    »Gebieter!« Ihre Stimme bebte.
    »Gebieter, bald werde ich bei dir sein, bald! Ich höre bereits das Säuseln des Todes. Das Blut rauscht in meinen Schläfen – nur für dich, mein Gebieter.«
    Für Sekunden war es ihr, als verzerrte sich das Spiegelbild. Es wurde überlagert von einer dunklen Gestalt.
    In Augenhöhe glühten zwei Punkte.
    Der Atem des Mädchens beschleunigte sich noch mehr. Feine Schweißperlen, die wie frischer Ton wirkten, traten auf ihre Stirn.
    »Gebieter!« flüsterte sie.
    Die Überlagerung verblaßte.
    War sie nur Produkt ihrer Phantasie gewesen?
    Marietta Bickford schluchzte laut auf. Sie stützte sich gegen den großen Spiegel, tat, als wollte sie hineinkrabbeln, bis sie die Sinnlosigkeit dieses Tuns einsah und zurücktrat.
    Weinend schlug sie die Hände vor das Gesicht und ging langsam in die Knie.
    In diesem Augenblick drang ein Geräusch an ihre Ohren, das sie auffahren ließ. Sie hörte das Schrillen eines Weckers, das durch dicke Wände gedämpft wurde.
    Sie fuhr auf und blickte gehetzt um sich.
    Für ihr Spiegelbild hatte sie jetzt keinen Blick mehr.
    Sie lief auf nackten Füßen zur Tür und lauschte.
    Jemand hatte den Wecker ausgedrückt. Sie hörte Stimmen.
    Marietta tastete nach dem Lichtschalter, betätigte ihn – sofort wurde es dunkel.
    Es dauerte eine Weile, ehe sie ihre Augen umgewöhnt hatte. Durch die geschlossenen Fensterläden, die ein paar Risse aufwiesen, drangen schmale Streifen von Tageslicht.
    War denn wirklich die Sonne bereits aufgegangen?
    Marietta Bickford lief zu dem altmodischen Kastenbett zurück. Sekundenlang blieb sie daneben stehen und horchte auf. Ihr Gesicht nahm einen gespannten Ausdruck an.
    Es war still im Haus.
    Enger zog sie den Umhang um ihre schmalen Schultern, sie fröstelte vor Kälte. Unter ihrer Haut glühte sie aber.
    Mit der Zunge fuhr sie sich über die Lippen und legte den Kopf in den Nacken zurück.
    »Oh, mein Gebieter«, rief sie. »Warum quälst du mich so sehr?«
    Draußen auf dem Gang näherten sich jetzt Schritte.
    Mariettas Gedanken kehrten in die nüchterne Wirklichkeit zurück. Blitzschnell schlüpfte sie unter die Decke. Der Stoff war rauh und kratzte.
    Die Schritte stoppten vor der Tür.
    Als geöffnet wurde, knarrte es leise. Eine schwielige Hand langte herein und ließ das Licht aufflammen.
    Marietta rührte sich nicht. Sie stellte sich schlafend.
    Jemand durchquerte das kleine Zimmer mit den derben Dielen und verharrte am Bett. Die Decke wurde leicht zurückgezogen.
    »Marietta!« schimpfte eine keifende Stimme. »Marietta, liegst du schon wieder ohne Nachthemd im Bett? Du weißt, wie unzüchtig das ist. Schäme dich!«
    Marietta tat, als erwachte sie. Sie streckte ihre Arme hoch, rekelte sich, und blinzelte ins Licht.
    Das Gesicht über ihr hing vor der Lampe und wirkte wie ein Schattenriß.
    Das Mädchen musterte die Gestalt aufmerksam. Es erkannte die wettergegerbte Haut und die schwielige Hand, die sich gegen den schmallippigen Mund drückte. Der Gesichtsausdruck wirkte hart, nicht wie der einer Vierzigjährigen.
    Jetzt waren die Augen vor Entsetzen geweitet.
    »Wie verdorben du bist, Marietta. Schämst du dich denn überhaupt nicht vor deiner eigenen Mutter?«
    Marietta lächelte unergründlich.
    Mit einem Ruck warf sie die Decke beiseite und sprang aus dem Bett.
    Die derbe Frau warf die Arme hoch und flüchtete kreischend aus dem Zimmer.
    »Der Satan ist in sie gefahren, der Satan!« zeterte sie draußen.
    Marietta Bickford lachte böse, als sie ihr nachsah. Sie schaute in den Spiegel.
    »Der habe ich es gegeben, Gebieter, nicht wahr? Einen

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