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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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zählen. Er ist zu Schiff nach Frankreich oder sonstwohin. Und jetzt wohnt die Kriminalpolizei bei uns. Moll hat die seinem Notariat übergebenen Gelder unterschlagen. Seit Jahren schon, nie hätte ich ihm das zugetraut. Wir haben ihn unterschätzt.«
    »Wovon leben Sie denn nun?« fragte Fabian.
    »Ich habe eine Pension eröffnet. Große Wohnungen sind jetzt billig. Die Möbel hat mir ein alter Bekannter geschenkt, das heißt, die Bekanntschaft ist jung, der Bekannte ist alt. Ihm gehören nur ein paar Gucklöcher in den Türen.«
    »Und wer wohnt in dieser übersichtlichen Pension?«
    »Junge Männer, mein Herr. Wohnung und Verpflegung gratis. Außerdem erhalten sie dreißig Prozent der Einnahmen.«
    »Welche Einnahmen?«
    »Mein Verein unchristlicher junger Männer wird von Damen der besten Gesellschaft mit wahrer Leidenschaft frequentiert. Die Damen sind nicht immer schön und schlank, und daß sie mal jung waren, glaubt ihnen kein Mensch. Aber sie haben Geld. Und wieviel ich auch verlange, sie zahlen. Und wenn sie vorher ihre Herren Ehemänner bestehlen oder ermorden sollten, sie kommen. Meine Pensionäre verdienen. Der Möbelhändler sieht zu. Die Damen gehen ihren Passionen nach. Drei junge Leute sind mir schon abgekauft worden. Sie haben beträchtliche Einkünfte, eigene Wohnung und kleine Freundinnen nebenher, heimlich, versteht sich. Der eine, ein Ungar, wurde von der Frau eines Industriellen erworben. Er lebt wie ein Prinz. Wenn er klug ist, hat er in einem Jahr ein Vermögen. Dann kann er sich die alte Schießbudenfigur abschaffen.«
    »Also ein Männerbordell«, sagte Fabian.
    »So ein Institut hat heute viel mehr Existenzberechtigung als ein Frauenhaus«, erklärte Irene Moll. »Außerdem träumte ich schon als junges Mädchen davon, Besitzerin eines solchen Etablissements zu werden. Ich bin sehr zufrieden. Ich habe Geld, ich engagiere fast täglich neue Kräfte für das Unternehmen, und jeder, der sich um eine Pensionärstelle bewirbt, muß bei mir eine Art Aufnahmeprüfung bestehen. Ich nehme nicht jeden! Wirkliche Talente sind selten. Naturbegabungen gibt es schon eher. Ich werde Fortbildungskurse einrichten müssen.«
    Sie blieb stehen. »Ich bin angelangt.« Die Pension lag in einem großen eleganten Mietshaus. »Ich möchte dir einen Vorschlag machen. Als Pensionär kommst du nicht in Frage, mein Lieber. Du bist zu wählerisch, du bist auch schon zu alt für die Branche, meine Kundschaft bevorzugt Zwanzigjährige. Außerdem leidest du an falschem Stolz. Ich könnte dich aber als Sekretär verwenden. Allmählich wird eine geordnete Buchführung notwendig. Du könntest in meinen Privaträumen arbeiten, wohnen könntest du auch dort. Wie denkst du darüber?«
    »Hier sind die Pakete«, sagte Fabian. »Ich möchte meinem Brechreiz nicht zu viel zumuten.«
    In diesem Augenblick kamen zwei junge Burschen aus dem Haus. Sie waren schick angezogen, zögerten, als sie Frau Moll erblickten, und nahmen die Hüte ab.
    »Gaston, hast du heute Ausgang?« fragte sie.
    »Mackie meinte, ich soll mir mal das Auto ansehen, das ihm Nummer Sieben versprochen hat. In zwanzig Minuten bin ich wieder da.«
    »Gaston, du gehst sofort auf dein Zimmer. Was ist das denn für eine Wirtschaft? Mackie geht allein. Marsch! Für drei Uhr hat sich Nummer Zwölf angemeldet. Bis dahin schläfst du, los!«
    Der junge Mann ging ins Haus zurück, der andere setzte, nochmals grüßend, seinen Weg fort.
    Frau Moll wandte sich Fabian zu. »Du willst wieder nicht?« Sie nahm ihm die Pakete ab. »Ich gebe dir eine Woche Bedenkzeit. Die Adresse weißt du nun. Überlege dir’s. Verhungern ist Geschmackssache. Außerdem tätest du mir einen persönlichen Gefallen. Wirklich. Je mehr du dich sträubst, um so mehr reizt mich der Gedanke. Es eilt nicht, Zeitvertreib habe ich mittlerweile genug.« Sie ging ins Haus.
    »Das grenzt an Zwangsläufigkeit«, murmelte Fabian und kehrte um.
     
    Er aß in einer Kneipe Bockwurst mit Kartoffelsalat. Dazu las er die Zeitungen, die im Lokal aushingen, und notierte sich Stellenangebote. Dann kaufte er in einem muffigen Papierladen Schreibmaterial und verfaßte vier Bewerbungsschreiben. Als er sie in den Kasten gesteckt hatte, fand er, es sei Zeit. Und er pilgerte, recht müde, zu der Zigarettenfabrik.
    »Sieht man Sie auch mal wieder?« fragte der Portier.
    »Ich will mich mit meiner Mutter hier treffen«, antwortete Fabian.
    Der Portier kniff ein Auge zu. »Verlassen Sie sich ganz auf mich.«
    Es war Fabian

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