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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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gesperrt, damit die Wirtin nichts merkte«, sagte der Sohn.
    Die Mutter goß Tee ein. »Aber leichtsinnig ist es trotzdem von dir, wildfremde Leute hier schlafen zu lassen. Wie schnell kann etwas passieren. Hoffentlich hat er deine Sachen im Schrank nicht schmutzig gemacht.«
    Fabian schrieb sich die Adresse der Irrenanstalt auf das Kuvert und schloß es weg. Dann setzte er sich zum Essen.
     
    Nach dem Abendbrot sagte er: »Komm, mach dich fertig. Wir gehen ins Kino.« Während sich die Mutter anzog, besuchte er Cornelia und erzählte ihr, daß seine Mutter da sei. Die Freundin war müde und lag schon im Bett. »Ich schlafe, bis du aus dem Kino zurück bist«, meinte sie. »Siehst du dann noch einmal zu mir herein?« Er versprach es.
    Der Tonfilm, den Fabian und seine Mutter sahen, war ein albernes Theaterstück, das in zwei Dimensionen verlief. Abgesehen davon war nicht gespart worden, der vorgeführte Luxus überschritt jede Grenze. Man hatte, obwohl dergleichen anstandshalber nicht gezeigt wurde, den Eindruck, unter den Betten stünden goldene Nachttöpfe. Die Mutter lachte wiederholt, und das freute Fabian so sehr, daß er mitlachte.
    Nach Hause gingen sie zu Fuß. Die Mutter war vergnügt. »Wenn ich früher so gesund gewesen wäre wie heute, mein Junge, dann hättest du es besser gehabt«, meinte sie nach einiger Zeit.
    »Es war auch so nicht übel«, sagte er. »Und außerdem ist es vorbei.«
    Zu Hause stritten sie sich ein bißchen, wer im Bett und wer auf dem Sofa schlafen solle. Endlich siegte Fabian. Die Mutter bereitete das Sofa zur Nacht. Er müsse erst einmal nebenan, sagte er dann. »Dort wohnt eine junge Dame, und ich bin mit ihr befreundet.« Er verabschiedete sich für alle Fälle, gab der Mutter einen Kuß und öffnete leise die Tür.
    Eine Minute später kam er wieder. »Sie schläft schon«, flüsterte er und bestieg sein Sofa.
    »Früher wäre das nicht möglich gewesen«, bemerkte Frau Fabian.
    »Das hat ihre Mutter auch gesagt«, meinte der Sohn und drehte sich nach der Wand. Plötzlich, kurz vor dem Einschlafen, stand er noch einmal auf, tappte durchs dunkle Zimmer, beugte sich über das Bett und sagte wie einst: »Schlaf gut, Muttchen.«
    »Du auch«, murmelte sie und öffnete die Augen. Er konnte das nicht sehen. Er tastete sich im Finstern zum Sofa zurück.

Dreizehntes Kapitel Das Kaufhaus und Arthur Schopenhauer – Das reziproke Bordell – Die zwei Zwanzigmarkscheine
    Am anderen Morgen wurde er von seiner Mutter geweckt: »Aufstehen, Jakob! Du kommst zu spät ins Büro!« Er machte sich rasch fertig, trank den Kaffee im Stehen und verabschiedete sich.
    »Ich werde inzwischen Ordnung schaffen«, sagte sie. »Sowas von Staub überall. Und an deinem Mantel ist der Henkel abgerissen. Geh ohne Mantel. Es ist ja warm draußen.«
    Fabian lehnte an der Tür und sah zu, wie die Mutter hantierte. Ihr aus Nervosität und Ordnungsliebe addierter Fleiß wirkte anheimelnd. Das Zimmer war erfüllt davon, es erinnerte plötzlich an zu Hause. »Daß du dich ja nicht fünf Minuten hinsetzt und die Hände in den Schoß legst«, warnte er. »Wäre es nicht schöner, wenn ich jetzt Zeit hätte? Wir könnten in den Tiergarten gehen. Oder ins Aquarium. Oder wir blieben hier, und du würdest mir wieder einmal davon erzählen, wie komisch ich als Kind war. Als ich die Bettstelle mit der Stecknadel zerkratzte und dich dann bei der Hand nahm, um dir das herrliche Gemälde zu zeigen. Oder als ich dir zum Geburtstag weißen und schwarzen Zwirn und ein Dutzend Nähnadeln und Druckknöpfe schenkte.«
    »Und ein Heft Stecknadeln und weiße und schwarze Nähseide. Es ist mir noch wie heute«, sagte die Mutter und strich ihm das Jackett glatt. »Der Anzug müßte gebügelt werden.«
    »Und eine Frau müßte ich haben und sieben kleine ulkige Kinder«, ergänzte er in weiser Voraussicht.
    »Scher dich an die Arbeit!« Die Mutter stemmte die Arme in die Hüften. »Arbeiten ist gesund. Übrigens, ich hole dich am Nachmittag vom Büro ab. Ich warte vor der Tür. Dann bringst du mich zum Bahnhof.«
    »Es ist sehr schade, daß du nur einen Tag bleiben kannst.« Er kam noch einmal zurück.
    Die Mutter sah ihn nicht an. Sie machte sich am Sofa zu schaffen. »Ich hielt es drüben nicht mehr aus«, murmelte sie. »Aber nun geht’s schon wieder. Du mußt nur länger schlafen, und du darfst das Leben nicht so schwer nehmen, mein Junge. Es wird dadurch nicht leichter.«
    »Nun gehe ich aber, sonst komme ich wirklich noch zu

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