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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Makart begegnet. Er war wegen Verleihverhandlungen ins Gebäude der Konkurrenz gekommen. Er hatte sie angesprochen. Sie sei der Typ, den er schon lange suche. Für den nächsten Film seiner Firma, versteht sich. Sie solle ihn morgen Nachmittag im Büro aufsuchen. Der Produktionsleiter und der Regisseur würden auch da sein. Vielleicht probiere man’s mal mit ihr.
    »Ich muß mir über Mittag einen neuen Jumper und einen Hut besorgen, Fabian. Ich weiß, du hast fast gar kein Geld mehr. Aber ich kann mir diese Chance nicht entgehen lassen. Denke dir, wenn ich jetzt Filmschauspielerin würde! Kannst du dir das vorstellen?«
    »Doch«, sagte er und gab ihr seinen letzten Hundertmarkschein. »Hoffentlich bringt dir das Geld Glück.«
    »Mir?« fragte sie.
    »Uns«, korrigierte er ihr zu Gefallen.

Vierzehntes Kapitel Der Weg ohne Tür – Fräulein Selows Zunge – Die Treppe mit den Taschendieben
    In dieser Nacht träumte Fabian. Wahrscheinlich träumte er häufiger, als er glaubte. Aber in dieser Nacht weckte ihn Cornelia, und so entsann er sich des Traumes. Wer hätte ihn, vor Tagen noch, aus seinen Träumen wecken sollen? Wer hätte ihn mitten in der Nacht ängstlich rütteln sollen, bevor er neben Cornelia schlief? Er hatte mit vielen Frauen und Mädchen geschlafen, das war richtig, aber neben ihnen?
    Er lief im Traum durch eine endlose Straße. Die Häuser waren unabsehbar hoch. Die Straße war ganz leer, und die Häuser hatten weder Fenster noch Türen. Und der Himmel war weit entfernt und fremdartig wie über einem tiefen Brunnen. Fabian hatte Hunger und Durst und war todmüde. Er sah, die Straße hörte nicht auf, aber er ging und wollte sie zu Ende gehen.
    »Es hat keinen Zweck«, sagte da eine Stimme. Er blickte sich um. Der alte Erfinder stand hinter ihm, in der verschossenen Pelerine, mit dem schlechtgerollten Schirm und dem ergrauten steifen Hut.
    »Guten Tag, lieber Professor«, rief Fabian. »Ich dachte, Sie wären im Irrenhaus.«
    »Hier ist es ja«, sagte der Alte und schlug mit der Schirmkrücke gegen eines der Gebäude. Es hallte blechern, dann ging ein Tor auf, wo keines war.
    »Meine neueste Erfindung«, sagte der Alte. »Gestatten Sie, lieber Neffe, daß ich vorausgehe, ich bin hier zu Hause.« Fabian folgte. In der Portierloge hockte Direktor Breitkopf, hielt sich den Bauch und stöhnte: »Ich kriege ein Kind. Die Sekretärin hat sich wieder mal nicht vorgesehen.« Dann schlug er sich dreimal auf die Glatze, und das klang laut wie ein Gong.
    »Wieder unpünktlich«, bedauerte der Professor, steckte Herrn Direktor Breitkopf den schlecht gerollten Schirm tief in den Schlund und spannte dann den Schirm auf. Breitkopfs Gesicht zerplatzte wie ein Ballon.
    »Verbindlichen Dank«, sagte Fabian.
    »Nicht der Rede wert«, erwiderte der Erfinder. »Haben Sie meine Maschine schon gesehen?« Er nahm Fabian an der Hand und führte ihn durch einen Gang, in dem bläuliches Neonlicht brannte, ins Freie.
    Eine Maschine, groß wie der Kölner Dom, türmte sich vor ihnen auf. Halbnackte Arbeiter standen davor, mit Schaufeln bewaffnet, und schippten Hunderttausende von kleinen Kindern in einen riesigen Kessel, in dem ein rotes Feuer brannte.
    »Kommen Sie ans andere Ende«, sagte der Erfinder. Sie fuhren auf laufenden Bändern quer durch den grauen Hof. »Hier«, sagte der alte Mann und zeigte in die Luft.
    Fabian blickte empor. Gewaltige glühende Bessemerbirnen senkten sich nieder, kippten automatisch um und schüttelten ihren Inhalt auf einen horizontalen Spiegel. Der Inhalt war lebendig. Männer und Frauen fielen auf das glitzernde Glas, stellten sich gerade und starrten wie gebannt auf ihr handgreifliches und doch unerreichbares Abbild. Manche winkten in die Tiefe hinunter, als kennten sie sich. Einer zog eine Pistole aus der Tasche und schoß. Er traf, obwohl er, gestrichen Korn, seinem Bild ins Herz gezielt hatte, seine wirkliche große Zehe und verzog das Gesicht. Ein Anderer drehte sich im Kreise. Offensichtlich wollte er seinem Abbild die Kehrseite zuwenden, der Versuch mißlang.
    »Hunderttausend am Tage«, erläuterte der Erfinder. »Dabei habe ich die Arbeitszeit verkürzt und die Fünftagewoche eingeführt.«
    »Lauter Verrückte?« fragte Fabian.
    »Das ist eine Frage der Terminologie«, antwortete der Professor. »Einen Moment, die Kuppelung versagt.« Er trat an die Maschine heran und stocherte mit seinem Schirm in einer Öffnung. Plötzlich verschwand der Schirm, dann verschwand die Pelerine, sie

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