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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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Ghazi wird sich um sie kümmern«, antwortete er und erhob sich auf die Ellbogen, »und der Emir besitzt Tausende von Kriegern - allesamt beritten, und allesamt begierig darauf, für den Ruhm des Islams das Martyrium zu erleiden.«
    Ich starrte ihn weiter an und versuchte, seinen Worten einen Sinn zu entnehmen. »Die Seldschuken? Warum sollten die Seldschuken sich einmischen?«
    »Bei uns gibt es eine Redewendung«, erwiderte Nurmal leichthin. »>Der Feind meines Feindes ist mein Freund.< Thoros versteht das besser als die meisten anderen. Er schuldet Emir Ghazi eine große Menge Geld. Wie sollte er diese Schuld wohl besser begleichen, als dem Emir eine besondere Ehre anzubieten? Sagen wir, indem er ihm Fürst Bohemund ausliefert?« Er lächelte ruhig. »Das ist die perfekte Lösung: Anavarza wird verschont, der Eindringling geschlagen, und Ghazi erhält die unwiderstehliche Gelegenheit, Antiochia zurückzuerobern. Das Gleichgewicht wäre dann wiederhergestellt.« »Aber das ist ungeheuerlich!«, protestierte ich von der Falschheit dieses Handels wie vor den Kopf geschlagen.
    Der listige Pferdehändler schüttelte den Kopf. »Nein, das ist einfach nur zweckmäßig, mein Freund.«
    »Hätte ich solchen Verrat auch nur vermutet, ich hätte Antiochia nie verlassen«, erklärte ich und zitterte vor Wut. »Das ist unerträglich! Undenkbar! Dem muss sofort ein Ende gemacht werden!«
    Nurmal runzelte mitleidig die Stirn. »Haltet Frieden, Duncan. Ihr fügt Euch sonst nur selbst Schaden zu.« Er erhob sich vom Bett und legte mir väterlich die Hände auf die Schultern. »Auch wenn ich Eure Ehrenhaftigkeit bewundere, so verstehe ich doch Eure Skrupel nicht. Warum seid Ihr überhaupt hierher gekommen?«
    Ich wusste nicht, was er von mir wollte. »Ihr wisst genauso gut wie jedermann, warum wir hierher gekommen sind.«
    »Ihr kamt hierher, um die Armenier vor Bohemunds Angriff zu warnen«, sagte Nurmal. »Stimmt das etwa nicht?«
    »Ja, aber.«
    »Was habt Ihr denn geglaubt, würde geschehen?«
    »Ich habe nicht gedacht, dass.«, begann ich, hielt dann aber inne, als ich erkannte, dass ich nur ausgenutzt worden war. »Man hat meine Warnung zum Verrat benutzt. Man hat mich zu einem Verräter gemacht!«
    »Warum sprecht Ihr von Verrat?«, verlangte Nurmal zu wissen, der allmählich die Geduld verlor. »Wo ist hier der Verrat? Wo, frage ich Euch? Hört mir zu, mein Freund. Das hier hat nichts mit Verrat zu tun. Das ist das Schicksal und die Unberechenbarkeit des Krieges. Ihr habt von dem drohenden Angriff erfahren und seid geflohen, um ein Gemetzel zu vermeiden.«
    »Ja. Um der Liebe Gottes willen, ich habe an nichts anderes mehr gedacht.«
    »Nun, Ihr hattet Erfolg. Ihr habt es verhindert. Dafür wird Emir Ghazi sorgen; habt keine Furcht.«
    »Das Gemetzel ist nicht verhindert«, knurrte ich, und Schuldgefühle überkamen mich; »nur sind es jetzt andere, die abgeschlachtet werden.«
    Die Sinnlosigkeit und die Schande meiner Tat brachen wie eine Flut über mich herein. Ich machte auf dem Absatz kehrt und floh aus dem Raum. Nurmal riefmir hinterher, doch ich antwortete ihm nicht. Rasch suchte ich meine Sachen zusammen. Es war nicht viel; meine Kleider hatte man zum Reinigen gebracht und mir bis jetzt nicht wieder zurückgegeben.
    Nun gut, dann würde ich eben in dem fliehen, was ich am Leibe trug, entschied ich, und alles andere zurücklassen. Ich dachte auch kurz darüber nach, das Schmuckstück hier zu lassen, das mir Fürstin Elena geschenkt hatte - ich wollte nichts von den Armeniern. Doch dann ließ mich der gesunde Menschenverstand von der Entscheidung Abstand nehmen: Wollten wir Antiochia erreichen, brauchten wir Geld, und die Brosche war sehr wertvoll. Also nahm ich sie aus dem Kästchen und steckte sie in die Innenseite meines Wamses, wo sie sicher war.
    Padraig wartete mit Roupen am Stall. Der junge Fürstensohn war traurig, uns so überstürzt abreisen zu sehen. »Ich wünschte, es ginge anders«, sagte ich ihm. Er bat mich, noch einmal über meine Entscheidung nachzudenken, doch ich lehnte ab. Als er sah, dass ich meine Meinung nicht mehr ändern würde, gab er widerwillig nach und verkündete, wie sehr er unsere Freundschaft schätze und dass er für den Erfolg unserer Pilgerfahrt beten würde.
    Dann erschienen Jordanus und Sydoni in der Tür, und Roupen wünschte auch ihnen Lebewohl und dankte ihnen für ihre unschätzbare Hilfe, aufgrund derer er noch rechtzeitig nach Hause gekommen war, um sich von seinem Vater zu

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