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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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verabschieden. Während die drei miteinander sprachen, überprüften Padraig und ich die Pferde und das Gepäck. Zufrieden stellten wir fest, dass alles in Ordnung war. Schließlich führten wir die Tiere in den Hofhinaus und sagten Roupen ein letztes Mal Lebewohl.
    Wir ritten durchs Tor hinaus aufdie Straße, über die wir gekommen waren und ließen Anavarza hinter uns. Die Sonne stand hoch am Mittagshimmel; das Wetter war schön und heiß, und mit Nurmals hervorragenden Pferden kamen wir gut voran. Ich hatte dieselben Tiere ausgesucht, aufdenen wir hierher gekommen waren, denn diese kannten uns bereits: den Apfelschimmel für mich, den Rotschimmel für Padraig und die beiden haselnussbraunen Stuten für Jordanus und Sydoni.
    Nachdem die Stadt außer Sichtweite war, hielten wir kurz an, um etwas zu trinken; dann ritten wir etwas langsamer weiter. Nun, da ich wieder im Sattel war, fühlte ich mich schon nicht mehr ganz so unwohl. Was auch immer nun geschehen mochte, dachte ich, es ging mich nicht länger etwas an. Ich hatte getan, was ich tun konnte, nur dass man meinen guten Willen ausgenutzt und meine Hilfe zu Schlimmem missbraucht hatte. Ich wollte kein Teil von etwas derart Frevelhaftem sein, und so war ich von Herzen froh, diesem Nest des Verrats entkommen zu sein.
    Heute, da ich die Dinge mit einigem Abstand sehe, meine liebe Cait, kann ich nicht anders, als mich über die Unschuld meiner Gedanken und Gefühle an jenem Tag wundern. Nurmal hatte nichts als die Wahrheit gesagt, so hart und unangenehm sie auch sein mochte. Bohemund hatte seinen Weg gewählt; lange bevor er Anavarza erreichte, hatte er sein Leben und das seiner Männer einem sinnlosen Plan verschrieben.
    Wie konnte ich nur annehmen, dass irgendeine meiner Taten den Lauf der Dinge ändern konnte? Habe ich wirklich geglaubt, ich könnte mich der göttlichen Gerechtigkeit entgegenstellen?
    Wer war ich denn? Doch nur ein armseliger Gesell, der sich in Dinge versuchte einzumischen, die weit über seinen Horizont hinausgingen. Wie im Namen von allem, was heilig ist, hatte ich nur hoffen können, den hochmütigen jungen Fürsten davon abzuhalten, die Früchte seines unstillbaren Ehrgeizes zu ernten?
    Und warum habe ich es überhaupt versucht?
    Die Antwort, glaube ich, lautet, dass ich den Gedanken einfach nicht ertragen konnte, dass Christen gegen Christen kämpften, dass Menschen Gottes größtes Geschenk, das Leben, einfach so wegwarfen, und das auch noch aus dem nichtigsten und dümmsten denkba-
    ren Grund. Das Schicksal hatte es so gefügt, dass ich bestimmte Dinge wusste - die Bewegungen von Armeen, die Absichten von Herrschern -, und ich hatte mich aus irgendeinem Grund dem Glauben ergeben, dass dieses Wissen die Verpflichtung mit sich brachte, es zum Guten zu verwenden.
    Das hat etwas mit Gefühlen zu tun, sage ich, nicht mit Vernunft. Hätte ich auch nur einen Augenblick innegehalten und über all das nachgedacht, so hätte ich ohne Zweifel die Sinnlosigkeit des Unterfangens erkannt. Wenn ich mir selbst doch nur eine einzige Frage gestellt hätte: Was wollte ich eigentlich?
    Nun, nach endlosen Monaten nüchternen Nachdenkens, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich nur eines gewollt habe: dass alle sich an einen Tisch setzen und ihre Streitigkeiten wie vernünftige Menschen aus der Welt schaffen. Ich hatte geglaubt, dass Christen, seien sie nun Armenier oder Franken, sich gegen den gemeinsamen Feind, die Seldschuken, vereinen ließen. Kurz gesagt, ich wollte den Frieden wahren, und ich habe keinen Grund gesehen, was dagegen gesprochen hätte. Ich habe geglaubt, dass ein Mann etwas bewirken konnte, solange er guten Willens ist, und dass Gott jenen hilft, die an ihn glauben.
    Doch in dem Wahnsinn, den man hier im Osten Vernunft nennt, war dieser Glaube eine reine Illusion. Ein unendlich traurigerer und weiserer Mann versteht das jetzt.
    An jenem schicksalhaften Tag jedoch floh ich Hals über Kopfaus der Stadt in dem Bemühen, so schnell und so weit wie möglich von diesem Ort des Verrats fortzukommen, damit Padraig und ich unsere Pilgerfahrt fortsetzen konnten. Ich gab ein rasches Tempo auf der rauen, unebenen Straße vor. Das Herz brannte mir in der Brust, und ich wünschte, ich hätte nie von Ghazi, Thoros oder Bohemund gehört.
    Diese Gedanken gingen mir noch immer im Kopf herum, als wir einige Zeit später den Gipfel eines steilen Hügels erreichten, hinter dem das Land in eine weite Ebene auslief. Die Ebene war eine von Dornenbüschen

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