Der Gast des Kalifen
verneigte und den Gast vor den Fürsten führte.
Doch nicht alle Gäste des Emirs waren Männer. Viele der Edlen brachten auch ihre Frauen mit. Soweit ich sehen konnte, waren diese sogar noch prächtiger ausstaffiert als die männlichen Besucher -auch wenn sie diese Pracht zumeist unter langen, weiten Gewändern verbargen, die sie von Kopfbis Fuß bedeckten; selbst die untere Hälfte ihrer Gesichter war von Schleiern verborgen, sodass man nur noch ihre Augen sehen konnte. Aber was waren das für Augen! Mandelförmig und schwarz wie Schlehen mit langen Wimpern und dünnen, dunklen und fein geschwungenen Brauen.
Ihr Anblick erinnerte mich an Sydoni, und eine Zeit lang erfreute ich mich an diesem Gedanken ... bis ich mich schließlich wieder meiner Lage erinnerte. Wäre ich nicht solch ein hitzköpfiger Tor gewesen, so wäre ich jetzt wohl bei ihr gewesen; daran zweifelte ich nicht. Meine Gedanken wurden derart bekümmert, dass ich gezwungen war, sie beiseite zu schieben. Selbstmitleid nutzt niemandem etwas. Was gewesen sein könnte, ist genauso unmöglich wie das, was niemals sein kann.
Nach einer Weile schliefeiner meiner Wächter ein, und da ich nun schon längere Zeit in der Sonne stand, nutzte ich die Gelegenheit und setzte mich hin. Dem anderen Soldaten gefiel das nicht. Er zischte mich an und winkte mir, wieder aufzustehen, und ich gehorchte. Schon bald jedoch war auch der zweite Mann fest eingeschlafen, und so setzte ich mich wieder und zog mein Wams über den Kopf, um mich vor der Sonne zu schützen, während ich wartete.
Mittag ging vorüber, und die Sonne begann ihren langen Abstieg nach Westen. Ich saß noch immer an meinem Platz, nickte von Zeit zu Zeit ein und wartete auf den Emir, und weiterhin kamen Männer und Frauen, um dem Fürsten ihre Aufwartung zu machen und ihre Treue zu bekunden. Als die untergehende Sonne schon lange Schatten vor den Zelteingang warf, hörte ich Pferde näher kommen.
Ein Trupp arabischer Häuptlinge ritt ins Lager. Ich rappelte mich auf, und nachdem sie abgestiegen waren, liefich mitten in sie hinein in Richtung des Zelts von Emir Ghazi. Einer der Araber riefmir zu stehen zu bleiben. Ich beachtete ihn nicht und lief weiter. Doch einer meiner Wachen wurde durch den Ruf geweckt und sah mich; er sprang auf mich zu und zerrte mich auf meinen Platz zurück, wo sich zwei andere zu ihm gesellten, und alle drei deckten sie mich
mit lauten Flüchen und kräftigen Hieben ein.
Ich weiß nicht, ob es der Tumult war, den ich vor dem Zelt entfacht hatte, was die Aufmerksamkeit des Emirs erregte. Aber während ich auf dem Boden lag und versuchte, Kopf und Hals vor den Fäusten der Soldaten zu schützen, erschien plötzlich ein Mann.
Er bellte nur ein einziges Wort und die Männer stellten ihre Attacken ein. Ich hob den Blick und sah den Atabek von Albistan, jenen Mann, der mich Tage zuvor gefangen genommen hatte. Auch er erkannte mich und winkte mir aufzustehen; er deutete auf das Zelt, und ich sah den Emir höchstpersönlich inmitten seiner Berater und Lehnsmänner im Eingang stehen. Missmutig runzelte Gha-zi die Stirn; die Störung schien ihm ganz und gar nicht zu gefallen.
Langsam erhob ich mich, klopfte den Staub von meinen Kleidern und bereitete mich auf das vor, was auch immer jetzt geschehen mochte.
Der unglückliche Emir winkte seinen Lehnsmann zu sich. Der Ata-bek packte mich am Arm und zog mich von den Soldaten fort. Ich wurde vor den Emir gebracht, wo ich mich niederknien musste. Damit wollten sie mich demütigen, doch das machte mir nichts aus. Es ist keine Schande, jemandem Respekt zu erweisen, der höher gestellt ist als man selbst, und da ich nur eine von vielen Geiseln hier im Lager war, stand der Emir ohne Zweifel über mir.
Der dunkelhäutige Emir funkelte mich an. Ich kann nicht sagen, was in seinem Kopf vorging, doch ich verneigte mich, wie ich es bei den türkischen Edelleuten gesehen hatte und berührte mit der Stirn den Boden; dann sagte ich in meinem besten Griechisch: »Ich bin Duncan von Caithness, und ich bin ein Freund von Fürst Tho-ros von Armenien.«
Noch immer funkelte der Emir mich wütend an, bellte einen Befehl, und einer seiner Berater kam herbeigerannt. Dieser Mann -ein Armenier, nehme ich an, denn er trug die gleiche Kleidung und zeigte das gleiche Verhalten wie jene, die ich bei dem Festmahl in Anavarza gesehen hatte - war ein ungelenker, gelbhäutiger Kerl mit großer Adlernase und glattem, haarlosem Kinn, das an ein Schwein erinnerte. Er
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