Der Gast des Kalifen
hölzerne Schüssel nicht sauber leckte. Auch gab man uns gegorene Ziegenmilch zu trinken; sie schmeckte etwas salzig und besaß einen leicht säuerlichen Nachgeschmack, was nicht gerade meinen Gaumen reizte.
Ausgeruht, wohlgenährt und so gut auf die kommenden unsicheren Tage vorbereitet wie nur irgend möglich, beschloss ich, am nächsten Morgen mein Glück mit Emir Ghazi zu versuchen.
Die Sonne stand hoch am Himmel, und der Wind wehte heiß aus Süden. Ich badete gerade im See, als zwei von Ghazis Leibwächtern erschienen. Sie sprachen mit unserem seldschukischen Wächter am Ufer, und ich beschloss, dass die Zeit gekommen war. Ich stieg aus dem Wasser, winkte Gerhardus, mich zu begleiten und ging auf die drei Türken zu.
»Was tust du da?«, flüsterte Gerhardus verzweifelt.
»Sag ihnen, dass ich den Emir sprechen will.«
Er starrte mich ungläubig an und wollte mir gerade widersprechen.
»Sag es ihnen.«
Die Soldaten blickten uns hochmütig und verächtlich an, ignorierten uns aber sonst.
»Ich glaube nicht, dass sie dieselbe Sprache sprechen wie ich. Die Türken haben genauso viele Dialekte wie Stämme«, sagte Gerhar-dus rasch. »Lass uns gehen, bevor wir Ärger bekommen.«
»Sag es ihnen. Falls nötig mit Händen und Füßen.«
Gerhardus rollte mit den Augen und unterbrach die Seldschuken in ihrem Gespräch, die nicht gerade erfreut von unserer Aufdringlichkeit waren. Unser Wächter schrie etwas und wedelte mit der Hand, um uns zu verscheuchen. »Sie sagen, wir sollen verschwinden«, übersetzte Gerhardus erleichtert.
»Ich verlange, den Emir zu sehen«, beharrte ich und blieb an Ort und Stelle stehen. »Sag ihnen, dass ich es verlange, Gerhardus. Benutz genau dieses Wort. Ich verlange, ihn sofort zu sehen.«
Nach einem weiteren lauten Wortwechsel übersetzte Gerhardus: »Sie sagen, niemand darf den Emir sehen.«
»Sag ihnen, dass ich ein Edelmann sei und ein Freund von Fürst Thoros von Armenien, und ich verlange, sofort den Emir zu sprechen.«
Zu seiner Ehre muss man Gerhardus zugestehen, dass er tapfer seine Furcht hinunterschluckte und sich wieder an die Türken wandte. Mit zitternder Stimme sagte er den Soldaten, was ich ihm aufgetragen hatte. Unser Wächter trat aufuns zu, wedelte mit dem Speer und schrie; doch einer der Männer des Emirs packte ihn am Arm und zog ihn zurück. Er winkte mich zu sich heran.
Ohne zu zögern, trat ich auf ihn zu. Er blickte mich an, und seine dunklen Augen suchten die meinen. Der zweite Leibwächter sagte etwas und deutete mit der Hand auf mich, aber der erste ergriff meinen Arm, drehte mich herum und bedeutete mir, ihm vorauszugehen.
»Gott möge mit dir sein«, rief mir Gerhardus hinterher.
Die beiden Soldaten führten mich um den See herum ins Lager des Emirs. Dort angekommen wurde ich vor das Zelt des Fürsten gebracht, welches blau anstatt dunkelbraun wie die anderen war. Man gab mir zu verstehen, dass ich genau hier warten sollte - ein paar Dutzend Schritte vor dem Zelt -; dann sprachen meine beiden Führer mit einem Mann, der kurz im Zelteingang erschien, bevor sie sich in den Schatten einer Dattelpalme zurückzogen, von wo aus sie mich beobachten konnten. So stand ich da, wartete auf meine Audienz und beobachtete das Treiben im Lager.
Emir Ghazi war ein äußerst geschäftiger Mann, dem Kommen und Gehen der vielen Berater und Lehnsmänner nach zu urteilen. Ein paar Männer betraten das Zelt und blieben lange dort. Ich vermutete, dass sie dem Emir nur ihre Aufwartung machen oder ihn von der Erledigung irgendeiner Pflicht berichten wollten. In der Tat haben alle Araber, zu denen ich auch die Türken zähle, vom Kalifen bis zum Ziegenhirt eine schier unglaubliche Vielzahl an Pflichten zu erfüllen, von denen nicht eine auch nur ein Gran verändert werden darf.
Während ich die nicht enden wollende Prozession der Edelleute verfolgte, bemerkte ich abermals, wie prächtig sie gewandet waren: Sie trugen wallende Roben aus feinstem, mit Gold und Juwelen bestickten Stoff; ihre Turbane zierten Straußen- und Pfauenfedern, und ihre Waffen waren mit Edelsteinen besetzt, die in der Sonne funkelten. Jeder Einzelne brachte seine Pferde mit und ein ganzes Gefolge von Dienern und Beratern.
Sie alle hatten Geschenke in Kästchen aus geschnitztem Sandelholz dabei. Manchmal - je nach dem Rang des Gastes, glaube ich empfing der Emir einen Mann am Zelteingang persönlich und begrüßte ihn mit einem Kuss. Meistens jedoch war es einer der Diener, der sich tief
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