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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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nur ein heiseres Krächzen hervor, und das steigerte ihre Aufregung noch. Sie eilten auf mich zu, und ich wurde hierhin und dorthin gezerrt, und ich erkannte, dass sie mich zum Meer hinunterschleppen woll-ten. Steifbeinig versuchte ich, mich ihnen zu widersetzen. Mir fehlte jedoch die Kraft, und so wurde ich ins Wasser gestoßen.
    Ich spürte die gesegnete Nässe an Füßen und Beinen; ich hörte die anderen mir platschend folgen, und ich drehte mich um und sah die verstaubten Gesichter meiner Mitpilger in der See. Wie, so fragte ich mich, waren die denn nach Schottland gekommen? Waren sie mir hierher gefolgt? Waren sie den ganzen Weg zu Fuß gegangen?
    Und dann begannen die Leute, Wasser über mich zu schütten. Das kühle Nass brachte mich wieder zu Verstand. Wasser! Ich sank auf die Knie und begann, es mit den Händen zu schöpfen, schüttete es mir in den Mund, schluckte es runter und würgte daran, und dann trank ich noch mehr.
    Das Wasser erweckte mich wieder zum Leben. Ich hob den Blick und schaute mich um. Die kühle Meeresbucht war verschwunden, ebenso wie das reiche Gut inmitten der strahlend grünen Hügel. Vor mir lag eine von der Sonne gebackene Siedlung im Schatten einiger knorriger Bäume und verloren wirkender Palmen am Ufer eines schlammigen, doch wirklichen Sees. Die Menschen hier waren nicht meine geliebte Familie, sondern muselmanische Hirten. Unwillkürlich zog sich mein Herz zusammen, als ich erkannte, wo ich mich befand: Ich lebte noch, aber ich war weit, weit weg von daheim.
    Die Nacht über blieben wir in der Siedlung. Vom Wasser wieder zum Leben erweckt und gesegnet mit einem Augenblick der Ruhe nach den Anstrengungen des Tages begannen die Gefangenen im Angesicht des nahenden Abends dem Herrn für ihr Überleben zu danken. Und sie begannen miteinander zu reden.
    Schon bald erfuhr ich, was geschehen war, nachdem Padraig, Rou-pen und ich aus Antiochia geflohen waren. Komtur Renaud hatte nicht zugelassen, dass die Templer für die Torheit des Fürsten missbraucht wurden. Er hatte sich Bohemund widersetzt und sich geweigert, die armen Soldaten Christi in den Kampf gegen andere Christen zu schicken. Unter den Gefangenen war die Meinung darüber geteilt, ob das nun gut oder schlecht gewesen war.
    »Bei Christus, wenn die Templer bei uns gewesen wären«, schwor einer der Soldaten, »dann wären wir nicht geschlagen worden.«
    »Das beweist uns nur, wie dumm du bist, Thomas Villery«, knurrte der Mann neben ihm. »Wären die Templer dort gewesen, wären sie genauso abgeschlachtet worden wie die anderen.«
    »Ja«, stimmte ihm ein weiterer zu. »So ist es am besten. Zumindest haben wir so noch eine Hoffnung auf Rettung.«
    »Wie kommst du darauf, dass irgendjemand uns retten wird? Es kümmert niemanden, was mit uns geschieht«, schloss der andere düster und ließ den Kopfaufdie Brust sinken. »Gott hat uns dem Untergang anheim gegeben. Seine Hand ist gegen uns. Wir sind tot... jeder Einzelne von uns. Es gibt keine Hoffnung.«
    »Seit wann ist ein Stück Scheiße denn ein Philosoph?«, spottete der Soldat mit Namen Thomas. »Wenn die Komturei erfährt, dass ein Teil von Bohemunds Heer gefangen genommen worden ist, dann werden die Templer kommen und uns retten.«
    »Und wer wird gehen und es ihnen sagen, na?«, verlangte ein anderer Soldat zu wissen und versuchte aufzustehen. Er war am Arm verletzt, und unter dem blutverschmierten Hemd war seine Wunde deutlich zu erkennen, denn der zerfetzte Stoff war von geronnenem Blut und Eiter schwarz und gelb gefärbt. »Wer reitet nach Antiochia und sagt es ihnen? Na? Na?« Er funkelte die Männer um sich herum wütend an. »Gaston hat Recht: Wir sind tot.«
    »Was denn? Was denn?«, meldete der Mann mit Namen Thomas sich wieder zur Wort. »Wenn sie erfahren, dass auch das Kreuz geraubt worden ist, werden sie kommen, bei Gott.«
    »Sprich zu mir weder von Gott noch vom Kreuz«, knurrte Gaston. »Wenn das Kreuz uns voranzieht, können wir nicht verlieren. Das haben sie gesagt. Es ist Gottes Wunsch, uns zum Sieg zu führen, haben sie gesagt. Ha! Wo ist er denn jetzt, dieser Sieg?« Wieder blickte er mit wilden Augen von einem zum anderen. »Verdammt sollen sie sein! Sie und ihre Lügen!«
    »Verzeih mir, Bruder«, unterbrach ich die Kreuzfahrer, »aber sprichst du vom Heiligen Kreuz?«
    »Ja«, bestätigte Thomas misstrauisch. »Von was denn sonst?«
    »Der Schwarze Stamm«, murmelte einer der Kreuzfahrer. »Das Kreuz Christi von den heidnischen Seldschuken

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