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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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zurück und nahmen zwei Stufen auf einmal, bis wir schließlich atemlos das obere Ende der Treppe erreichten. Ein paar Schritte weiter trafen wir dann auf zwei kleine Öffnungen, und ich beschloss, zunächst die tiefer gelegene auf der rechten Seite auszuprobieren.
    Wieder übergab ich Wazim mein Papyrusbündel und bat ihn, auf mich zu warten. Dann ließ ich mich auf alle viere nieder und kletterte in die Öffnung hinein. Im Inneren des Tunnels war es trocken und staubig, und er endete bereits nach ein paar Dutzend Schritten. Unfähig, mich umzudrehen, kroch ich rückwärts wieder hinaus. »Der ist zugemauert«, berichtete ich Wazim, nachdem ich wieder bei ihm angelangt war. »Dann probieren wir eben den anderen aus.«
    Ich kletterte in die zweite Öffnung. Die Decke des Tunnels war höher als bei letzterem, wenn auch nicht so hoch, dass ein Mann aufrecht hätte gehen können, und er war sehr eng; nach ein paar
    Schritten war ich gezwungen, mich seitwärts fortzubewegen, bis ich schließlich mit dem Rücken an der Wand entlangschabte - was ausgesprochen schwierig war, da ich mich ja, wie gesagt, nicht aufrichten konnte.
    Auf diese langsame Art arbeitete ich mich immer weiter voran, bis ich an eine scharfe Biegung gelangte, hinter der ich nur Dunkelheit sah. Hätte ich nicht einen kühlen Windhauch auf dem Gesicht gespürt, ich wäre umgekehrt. So jedoch rief ich Wazim zu, er solle mir mit dem Licht folgen, quetschte mich durch die enge Stelle und wartete auf der anderen Seite auf ihn.
    Die zirkulierende Luft ließ die Fackel nervös flackern. »Sie wird bald ausgehen«, bemerkte Wazim.
    »Gib sie mir«, bat ich ihn, »und halte die andere bereit.«
    Nachdem wir den Engpass erst einmal hinter uns gelassen hatten, verbreiterte sich der Tunnel wieder. Wir gingen weiter und erreichten schließlich einen kleinen, dreieckigen Raum, aus dem eine steile, steinerne Treppe hinausführte. Die Stufen dieser Treppe waren spiralförmig angeordnet und führten zu einem Raum hinauf, der jenem darunter bis aufs Haar glich und von wo ein weiterer enger Tunnel in die entgegengesetzte Richtung verlief. Wir hielten kurz an, um die zweite Fackel zu entzünden, und ich nahm Wazim wieder mein Bündel ab; dann gingen wir weiter.
    Dieser neue Tunnel war recht kurz, und an seinem Ende erwartete uns eine weitere Treppe, die diesmal nach unten führte, und eine verrottete Holztür. Die Tür war verriegelt gewesen, doch das Holz war alt und morsch. Irgendjemand hatte die untere Hälfte der Tür einfach eingetreten, und nun lagen die Splitter überall am Boden verstreut.
    Die Fackel vor mich haltend duckte ich mich hindurch. Ich kroch über das zerbrochene Holz und fand mich in einem kleinen gewölbten Raum wieder. Hier lagerten etliche mit geflochtenen Schnüren zusammengebundene Papyrusstapel, die langsam vor sich hin moderten. Rasch ging ich weiter und durch die Bogentür an der gegenüberliegenden Wand und betrat einen noch weit größeren
    Raum. Dieser war mit zeremoniellen Sätteln, Zaumzeug und anderer Ausrüstung für Pferde und Kamele voll gestopft. Unzählige, mit Gold und Silber beschlagene Sättel waren hier zu finden; sie hingen in Reih und Glied an der Wand oder waren einfach auf dem Boden gestapelt worden. Auch Lanzen gab es hier - die meisten mit Stoffwimpeln an den Spitzen verziert -, und in einer Ecke sah ich vier Streitwagen, die auf ihren Achsen ruhten und deren abmontierte, bemalte Räder an einer Säule lehnten.
    »Wir haben das Schatzhaus gefunden, Wazim«, sagte ich leise. »Jetzt lass uns den Kreuzesstamm suchen.«
    Ich hatte einen einzigen riesigen Raum erwartet, wo der Kalifseine Schätze stapelte - einen großen Haufen von Gegenständen und Kisten voller Münzen, Schmuck und dergleichen. Stattdessen war dieses Schatzhaus aber tatsächlich ein Haus: Ein Raum folgte auf den nächsten; es gab Verbindungsgänge, Hallen und Galerien. Rasch durchquerten wir die ersten zwei Räume und erreichten eine lange, doppelt gewölbte Galerie mit einer zentralen Säulenreihe und niedrigen Türen zu beiden Seiten.
    Als wir diese Galerie betraten, begann das Hämmern von neuem, welches eine Zeit lang verstummt war. Diesmal waren die Schläge härter, rhythmischer und klangen entschlossener. Ich vermutete, dass entweder frische Männer an die Aufgabe befohlen worden waren oder dass die Diebe neues Werkzeug gefunden hatten - vielleicht beides. Ich wusste nicht, wie lange das eisenbeschlagene Holz diesen Angriffen noch standhalten konnte,

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