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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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unnachgiebigen Tür zu versuchen. Die Klinge hämmerte gegen das Holz - ein-, zwei-, dreimal -, dann hörte der Mann aufund gab die Axt ihrem Besitzer zurück. Er drehte sich um, und mir stockte der Atem, als ich sein Gesicht im flackernden Licht der Fackeln sah.
    Es war der Templer de Bracineaux.
    De Bracineaux gab dem Araber die Axt zurück, und die beiden besprachen die Angelegenheit. Mein erster Gedanke war, ihm zuzurufen, ihn wissen zu lassen, dass ich hier war ... aber der Anblick des Templerkomturs, der arabischen Dieben Anweisungen in ihrer eigenen Sprache erteilte, war sehr, sehr seltsam, und - so erschien es mir - das Ganze hatte etwas Finsteres an sich. Also zögerte ich und beobachtete das Geschehen zunächst einmal.
    Ich versuchte noch immer zu entscheiden, was zu tun war, als ich plötzlich Wazim neben mir bemerkte. Ich legte den Finger an die Lippen, um ihn zum Schweigen zu ermahnen, bevor ich ihm gestattete, um die Ecke zu spähen. Im selben Augenblick, da er seinen Kopfdurch das Gitter steckte, und noch bevor er um die Ecke spähen konnte, geschah etwas Seltsames: Er schnaufte kurz, erstarrte und riss entsetzt die Augen auf. Sofort zog er sich wieder in den Gang zurück. Ich folgte ihm und hielt nur an, um die Fackel aufzuheben, die er fallen gelassen hatte. Als ich ihn schließlich einholte, hatte das Hämmern wieder eingesetzt.
    Kurz bevor er in den nächsten Gang einbiegen konnte, bekam ich seinen Ellbogen zu packen und bereitete seiner Flucht so ein Ende. »Wer sind die?«, verlangte ich zu wissen. »Die Araber meine ich. Du kennst sie. Wer sind sie?«
    »Fedai'in!«, keuchte Wazim.
    »Bist du sicher?«
    Er nickte. Seine Augen waren noch immer vor Entsetzen weit aufgerissen. »Der Geruch«, sagte er. »Habt Ihr sie nicht gerochen?«
    Nun, da er es erwähnte, erinnerte ich mich tatsächlich daran, einen süßen Duft wahrgenommen zu haben. »Ich dachte, das käme von den Fackeln.«
    »Das ist Haschisch. Wir müssen von hier verschwinden. Wenn die Fedai'in uns finden, sind wir tot.«
    Templer und Fedai'in gemeinsam? War das nicht die fanatische Sekte, die den Tod von Jordanus Sohn verursacht hatte, und der Grund, warum die Familie aus Damaskus hatte fliehen müssen? Zu jeder Zeit hätte ich die Möglichkeit eines solch unwahrscheinlichen Bündnisses geleugnet. Nun jedoch wusste ich, dass Wazim Recht hatte.
    Was suchten sie im Schatzhaus des Kalifen? Nicht sein Gold und Silber - oder jedenfalls nicht nur. Die Anwesenheit von Renaud de Bracineaux ließ mich vermuten, dass auch sie das Heilige Kreuz an sich bringen wollten. Die Beute, die bei der Schlacht gemacht worden war, war nicht groß, doch de Bracineaux war sich zweifellos darüber im Klaren, dass der Verlust der Reliquie weit schwerer wog als der Untergang Bohemunds und seines Heers.
    Je länger meine Gedanken sich auf diesem Pfad bewegten, desto überzeugter wurde ich davon, dass de Bracineaux und ich uns auf derselben Queste befanden. Wenn die Templer den Schwarzen Stamm als Erste fanden, würde ich ihn für immer verlieren.
    »Bitte, Da'ounk, lasst uns gehen. Alle Schätze der Welt werden Euch nichts mehr nützen, wenn Ihr tot seid.«
    »Das Gold des Kalifen ist mir gleich.« Ich beschloss, dass es an der Zeit war, Wazim die Wahrheit zu sagen. »Hör mir jetzt gut zu, mein Freund. Es gibt da etwas, was du wissen musst.« Ich erzählte ihm von dem Stück des Heiligen Kreuzes, das sich nun unter den Schätzen des Kalifen befand.
    »Bei allem, was heilig ist.«, keuchte Wazim Kadi und fiel in ein erstauntes Schweigen.
    Seine Reaktion überraschte mich. Ich hatte nicht erwartet, dass ein Sarazene solche Ehrfurcht vor einer christlichen Reliquie zeigte; doch ich hatte keine Zeit, mich weiter darüber zu wundern. »Aus diesem Grund sind auch die Templer hier. Sie wissen, dass Bohe-mund das Kreuz verloren hat, und sie wollen es wieder zurückholen.«
    »Dann wird ihnen das sicherlich auch gelingen«, schloss Wazim düster. »Auch gemeinsam können wir weder die Templer noch die
    Fedai'in bekämpfen.«
    »Ich beabsichtige auch nicht, mit ihnen zu kämpfen«, erwiderte ich. »Aber ich werde auch nicht einfach daneben stehen und zusehen, wie sie es fortschleppen.« Mit diesen Worten warf ich mir das Papyrusbündel wieder über die Schultern und machte mich erneut auf den Weg den Gang hinunter, diesmal jedoch in die andere Richtung. Mein Herz war schwer, ich hatte de Bracineaux zu meinen Freunden gezählt; unter allen anderen Umständen hätte ich ihn

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