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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Licht an. »Alles klar dahinten?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Bleib noch ein bisschen unten. Ich geb schnell die Videos zurück.«
    »Wie spät ist es?«
    Er warf einen Blick auf die grünen Leuchtziffern der Uhr. »Viertel vor eins. Ich muss wohl einen Verspätungszuschlag zahlen.«
    »Ich übernehme das.«
    »Schon in Ordnung. Pass bloß auf, dass dich niemand sieht.«
    Ein paar Minuten später lenkte er den Wagen auf den Parkplatz von Video City. Er war hell beleuchtet, aber fast leer. Ein paar Autos standen herum, als hätten die Fahrer sie dort zurückgelassen. Im Laden brannte spärliches Licht. Niemand schien drinnen zu sein. Weder auf dem Parkplatz noch vor dem Eingang trieb sich jemand herum.
    Meistens stand ein schmutziger Stadtstreicher vor dem Laden und bewachte den Rückgabeschlitz. Er lauerte darauf, einem die Videos aus der Hand zu reißen, sie in den Schlitz zu stecken und eine Gebühr für diese Dienstleistung zu kassieren.
    Neal hatte sich schon gefragt, wie er sich dem Mann gegenüber verhalten sollte.
    Er wollte eine Begegnung vermeiden. Am besten wäre es, die Videos zu behalten, einfach weiterzufahren und sie morgen abzugeben.
    Er war froh, dass der Mann sich nicht auf seinem Posten befand.
    »Die Luft ist rein«, sagte er und parkte vor dem Rückgabeschlitz. »Aber bleib lieber unten. Es ist wirklich ziemlich hell hier.«
    Er stieg aus dem Wagen, schlenderte zu dem Schlitz und schwang die Videos lässig an seiner Seite. Hinter ihm lag der Venice Boulevard. Dort herrschte reger Verkehr. Neal wusste, dass jeder, der dort vorbeifuhr, ihn sehen konnte.
    Die Nacht war ziemlich kühl. Doch nach einem so heißen Tag würde es wahrscheinlich niemand komisch finden, dass er kein Hemd trug. Er hoffte, die Straße wäre zu weit entfernt, um von dort aus seine Verletzungen, den Schmutz und das Blut zu erkennen.
    Er warf die Videos nacheinander in den Schlitz, dann drehte er sich um.
    Ein paar Autos näherten sich auf dem Venice Boulevard, noch dicht beieinander wegen der Ampel, vor der sie gerade losgefahren waren.
    Neal rieb sich mit dem Unterarm über das Gesicht, als wollte er sich den Schweiß abwischen. Er hielt sein Gesicht verbogen, bis er sich wieder zu seinem Wagen drehte. Schnell öffnete er die Tür und stieg ein.
    »Wie ist es gelaufen?«, fragte Elise von hinten.
    »Keine Probleme.« Er setzte aus der Parkbucht zurück und steuerte auf eine der Ausfahrten zu. »Wohin?«, fragte er.
    »Also, du hast gesagt, du würdest mich nach Hause fahren.«
    »Dann zu dir.«
    »Das wäre perfekt«, sagte sie. »Weißt du, wie du nach Brentwood kommst?«
    »Du wohnst in Brentwood? «
    »Wenn das zu weit ist …«
    »Nein, nein. Ich fahr dich, wohin du willst. Verdammt, ich fahr dich auch nach San Francisco, wenn du möchtest.«
    Sie lachte leise. »Brentwood reicht völlig.«
    »Der Venice Boulevard stößt auf den Bundy Drive, oder?«
    »Auf die Centinela, glaube ich. Ein Stück weiter heißt sie dann Bundy.«
    Er bog rechts aus dem Parkplatz auf den Venice Boulevard ab. »Wo hat der Typ dich geschnappt?«
    »Zu Hause.«
    »In Brentwood?«
    »Ja.«
    »Und er hat dich den ganzen Weg hierher gebracht?«
    »Hier sind wir schließlich gelandet, ja.«
    »Seltsam. Vielleicht ist das sein Revier. Das würde Sinn ergeben. Wenn er dich irgendwo hinbringen wollte, wo er sich auskennt.«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie.
    »Wohnst du in einem Apartment?«
    »In einem Haus.«
    »Ein Haus in Brentwood?« Grinsend blickte er über die Schulter zu Elise, die zusammengerollt auf dem Rücksitz lag. »Du musst ja ganz schön Kohle haben.«
    »Ziemlich viel.«
    »Toll.«
    »Hasst du mich jetzt? Nur weil ich reich bin?«
    »Nö.«
    Doch er verspürte eine gewisse Enttäuschung.
    »Hoffentlich nicht«, sagte sie. »Manche Menschen benehmen sich nämlich, als wäre es eine Sünde, Geld zu haben.«
    »Ich nicht«, sagte er. »Sehe ich aus wie ein Kommunist?«
    Sie lachte.
    »Lebst du allein?«, fragte er. »Ich meine, ich frage mich nur, warum dieser Irre … äh … warum er das alles nicht gleich in deinem Haus mit dir gemacht hat.«
    »Er wollte, dass ich vor Schmerz schreie. Vielleicht hat er mich deswegen weggebracht. Ein lauter Schrei in meinem Haus, und es würden so viele Leute den Notruf wählen, dass die Polizei glaubt, die Marsmenschen wären gelandet. Es ist eine sehr ruhige Gegend. Und die Nachbarn sind sehr aufmerksam. Alle wissen, dass ich allein lebe. Und sie wissen auch, dass ich einigen Ärger mit meinem Exmann

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