Der Gast: Roman
sie. »Wir müssen hintenrum gehen.«
Sie ging quer über den Rasen voran. Dichtes Gebüsch und eine Ziegelmauer trennten den schmalen Rasenstreifen von der Straße. Doch Neal entdeckte ein kleines offenes Tor.
»Ist er dort reingekommen?«
»Ich weiß nicht«, sagte Elise. »Vielleicht ist er auch über die Mauer gesprungen oder so. Aber wahrscheinlich hat er mich dort rausgetragen.«
Neal ging zu dem Tor und schloss es. Er griff hinüber und drehte an dem Knauf. Er ließ sich bewegen. »Schließt du das Tor nicht ab?«
»Nicht immer.«
»Das solltest du aber.«
»Vince war derjenige, der sich wahnsinnige Sorgen um unsere Sicherheit gemacht hat«, sagte sie. »Ich bin eher der Meinung, dass man sowieso nichts dagegen machen kann, wenn sie einen erwischen wollen.«
»Heute Nacht haben sie dich erwischt.«
Sie wandte sich zu Neal. Ein Mundwinkel hob sich. »Beinahe«, sagte sie.
Von dem Tor führte ein Weg zur Vordertür. Über dem Eingang brannte eine Lampe.
»Hast du eine Alarmanlage?«, fragte Neal.
»Ja.«
»Du schaltest sie doch hoffentlich ein?«
Elise warf ihm ein Lächeln zu. »Manchmal.« Sie ging weiter. Neal folgte ihr und betrachtete dabei das Haus.
Er war etwas überrascht, wie normal es aussah. Er hatte nicht genau gewusst, was ihn erwartete, doch er hatte mit etwas Beeindruckenderem gerechnet. Es wirkte wie ein typisches Haus in Los Angeles – im Kolonialstil. Ein flaches verputztes Gebäude mit roten Dachziegeln und Bögen. Es schien ziemlich groß zu sein. Aber eine Villa war es gewiss nicht.
Doch wahrscheinlich hatte es so viel gekostet wie eine Villa.
Wenn sie sich so ein Haus leisten kann, dachte er, dann kann sie mir auch ohne mit der Wimper zu zucken hunderttausend Dollar zustecken.
Ich will ihr Geld nicht.
Außerdem hat sie das Haus wahrscheinlich bei der Scheidung zugesprochen bekommen. Vielleicht besitzt sie selbst gar nicht so viel … nein, sie hat zugegeben, dass sie reich ist.
Spielt keine Rolle, sagte er sich. Ich nehme keinen Penny von ihr.
Er folgte ihr um die Ecke. Eine kleine Gruppe von Obstbäumen stand zwischen der Seitenwand des Hauses und der Grundstücksmauer. Aus den Fenstern des Hauses fiel kein Licht. Als sie in den Obsthain traten, waren sie von Dunkelheit umgeben.
Neal ging langsam, duckte sich unter niedrigen Ästen und behielt Elise im Blick, die nur ein undeutlicher, sich bewegender Fleck war.
Hinter dem Haus verließen sie die Baumgruppe. Auch dort waren keine Lampen eingeschaltet, doch ohne den Schatten der Bäume kam es ihm hell vor.
Der Pool dominierte alles. Ein großes rechteckiges Becken mit zwei Sprungbrettern an der hinteren Seite: ein niedriges Brett und ein Turm. Der Pool war von einer breiten Betonschürze umgeben. Neal konnte sehen, dass der Beton an einigen Stellen nass war – vermutlich dort, wo Elise früher am Abend aus dem Wasser geklettert war.
An der ihm zugewandten Seite des Beckens befand sich ein Whirlpool. Vor dem Haus standen ein paar gepolsterte Liegestühle. Weiter hinten an der Hauswand entdeckte Neal einen Grill, einen Tisch und Stühle.
Als sie an den Liegen vorbeigingen, bückte sich Elise und nahm ein großes Handtuch von einem der Polster. Sie warf es sich über die Schulter.
»Warum brennt hier kein Licht?«, fragte Neal.
»Ich hatte es nicht eingeschaltet.« Elise wandte sich zu der Glasschiebetür.
»Du bist im Dunkeln gesprungen?«
Sie sah ihn über die Schulter an. »Das ist aufregender.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Sie schob die Tür auf. »Außerdem kann man bei Vollmond ziemlich gut sehen.«
Neal folgte ihr ins Haus. Eine Lampe wurde eingeschaltet. Die Helligkeit brannte in seinen Augen. Blinzelnd stellte er fest, dass er in einem großen Schlafzimmer stand. Es wirkte feminin, sauber und ordentlich.
Elise warf das Handtuch auf das Doppelbett.
Sie steuerte auf eine Tür in der Ecke des Zimmers zu und sagte: »Komm mit, dann zeig ich dir das Gästebad. Du willst dich doch bestimmt waschen, oder?«
»Das kann warten, bis ich zu Hause bin.«
»Muss es aber nicht. Entspann dich einfach, ja?«
Er trat hinter ihr in einen Flur.
Nachdem sie das Licht angeschaltet hatte, ging sie nach rechts. »Falls du duschen möchtest«, sagte sie, »finde ich bestimmt etwas Sauberes zum Anziehen für dich.«
»Nein, wirklich. Nicht nötig.«
Sie griff durch einen Türrahmen, betätigte den Lichtschalter und drehte sich zu ihm.
Zum ersten Mal konnte er sie in richtig gutem Licht ansehen. Ihr Gesicht war
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